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Diese Offiziere machen einen besonders üblen Eindruck.

     Gestern am Spätnachmittag besuchte uns Frl. Lachmann, die frühere Sekretärin aus dem Haus der Gesundheit, mit der Elisab. in Masserberg war. Sie wohnt am Alexanderplatz am Anfang der Stalinallee u. hat dort u. im Haus der Gesundheit die Demonstrationen viel intensiver erlebt wie wir. Sie berichtete viel Interessantes u. sagte, daß die Schießereien am Alexanderplatz auch heute noch nicht aufgehört haben. Die Russen schießen rücksichtslos auf Menschen, die sich an Fenstern oder Balkons sehen lassen, ein 10-12 jähriger Junge wurde auf diese Weise durch Kopfschuß getötet. Auch in Lichtenberg u. Weißensee soll es ähnlich sein. Während der Demonstrationen wurden viele durch Schüsse oder Knüppel Verletzte im Haus der Gesundheit behandelt, wobei die Verletzungen durch die Polizeiknüppel besonders grausam sind. –

     Heute Vormittag begleitete ich Elisabeth mit Bettinchen zum ehemaligen Monbijou=Park, bzw. zu dem, was davon übrig geblieben ist. Man hat einige große Rasenflächen sehr gut in Stand gesetzt u. einige junge Bäume neu gepflanzt, aber großenteils liegen die Trümmer des total zerstörten Schlößchens noch wüst herum. Das hat den Vorteil, daß man sich dort auf Steine setzen kann u. das Bettinchen im Sande buddeln kann. Es waren noch ein paar andere junge Väter mit ihren kleinen Kindern dort, sonst aber viele Hundebesitzer, die ihre Hunde dort herumlaufen lassen. An der Spree ist ein eifriger Badebetrieb größerer Kinder, die von Zeit zu Zeit durch Volkspolizisten vertrieben werden, aber sofort wieder da sind, sobald die Polizisten den Rücken gekehrt haben. Die Jungens klettern auf den Bogen der Stadtbahn u. springen von dort ins Wasser, in dem sie sich gemeinsam mit den Hunden tummeln. Jetzt am Nachmittag sind Elisab. u. Anni nochmals mit Bettinchen ausgegangen, ich habe gestreikt. Bettinchen hat jetzt die Wirkung der Pockenimpfung überwunden u. ist wieder ganz munter, nachdem sie einige Tage etwas quängelig gewesen war.

     Es sind keine Anzeichen vorhanden, daß der Ausnahmezustand aufgehoben wird, nur hat man die Theater u. Kinos wieder zugelassen. Die Sektorengrenzen sind immer noch gesperrt. –

Montag, 22. Juni 53.     

     Keine Aenderung der Lage. Auch ist nichts davon zu merken, daß die Russen abziehen wollen oder auch nur die Sektorengrenzen öffnen wollen. Der russische Kommandant hat vielmehr auf eine

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Hans Brass: TBHB 1953-06-21. , 1953, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-06-22_001.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2024)