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Wir werden sie in Bettinchens Sportwagen packen u. so zur S=Bahn fahren. In Steglitz gebe ich sie dann gleich am Bahnhof in dem von Frau Thim-Sieberg bezeichneten Geschäft ab, von wo sie Herr Thim abholen wird. Trotzdem wird es eine anstrengende Schlepperei geben, vor der ich mich fürchte. – Ich werde außer diesen elf Bildern noch das Bild „Die Schiffbrüchigen“ hinzufügen in der Hoffnung, daß Frau Dr. Thim-Sieberg sich zum Kauf entschießt. Sie man es eine Weile lang als Leihgabe behalten.

     Nach wie vor beschäftigt sich alle Welt mit dem jüngsten politischen Rückzug unserer Regierung. Bis heute sollen bereits etwa 5000 Menschen aus den Gefängnissen entlassen sein, die wegen angeblicher Wirtschaftsverbrechen bis zu drei Jahren Gefängnis verurteilt waren. Es werden wahrscheinlich noch mehr werden. Diese ganze Sache ist nur richtig zu beurteilen, wenn man bedenkt, daß hinter allem Rußland steht, denn von allein werden sich ja Ulbricht u. Grotewohl nicht freiwillig lächerlich machen. In Rußland aber wird immer deutlicher, daß dort wirklich eine Kursänderung zu verzeichnen ist. In der Ukraine sind der bisherige russische Ministerpräsident u. ein weiterer Minister abberufen u. durch ukrainische Persönlichkeiten ersetzt worden u. heute wurde bekannt, daß auch Jugoslawien auf russische Anregung hin mit Rußland in geregelte diplomatische Beziehungen getreten ist u. Gesandte ausgetauscht haben, das in einem Augenblick wo Jugoslawien mit Griechenland u. der Türkei politische Verträge abgeschlossen hat. Es macht den Eindruck, als würden von Rußland noch weiterhin entgegenkommende Schritte zu erwarten sein. Die Kehrseite davon ist nun aber die, daß dadurch der Abschluß des EVG=Vertrages sehr gefährdet wird, da die Gegner dieses Vertrages dadurch in ihrer Position erheblich gestärkt werden. –

Montag, 15. Juni 53.     

     Elisab. war gestern während des ganzen Tages im Bereitschaftsdienst. Sie war nur mittags etwa eine Stunde zuhause u. kam abends nach 8 Uhr zurück. Es hat sich wenigstens pekuniär gelohnt. Ich selbst fuhr nachmittags nach Steglitz, um von Frau Dr. Falke die Ausstellungspapiere zu holen, die dort eingegangen sein müssen, aber ich kam vor verschlossene Türen u. kehrte unverrichteter Dinge u. verärgert zurück. Kurz nachdem E. dann nachhause gekommen war, kam Herr Dr. Richter. Er war gestern bei seiner Schwester Dr. Falke gewesen, doch hat sie ihm nichts darüber gesagt, daß ein Brief für mich da sei, obwohl sie, wie Dr. R. sagte, über mich gesprochen

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Hans Brass: Thim-Sieberg. , 1953, Seite 0010. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-06-15_001.jpg&oldid=- (Version vom 1.3.2024)