Seite:HansBrassTagebuch 1953-06-13 001.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ob er seine Position halten kann. Die Luft ist also voller Spannung u. es können hüben wie drüben leicht Ereignisse eintreten, die die Situation völlig ändern.

     Elisab. hat in der vergangenen Nacht Bereitschaftsdienst gemacht, sie kam gegen 4 Uhr nachhause und ging morgens wieder in ihren Dienst. Es ist nicht möglich, das öfter zu machen, sie kann das höchstens in den Nächten vom Sonnabend zum Sonntag, wenn sie am Sonntag dienstfrei ist. Ich bin eben sehr glücklich, daß sie durch ihre neue Tätigkeit angeregt ist, sie darf das keinesfalls durch solche Ueberanstrengung wieder aufs Spiel setzen. Die neue Tätigkeit ist für sie ja schon anstrengend genug, denn diese ganze Materie ist ihr ja zunächst noch fremd u. sie muß sich erst einarbeiten. Ich werde heute mit ihr darüber ernsthaft reden.

     Bettinchen hat heute etwas Fieber. Die eine Impfpocke ist jetzt gut aufgegangen. Sie schläft heute am Vormittag, was sie sonst nie tut u. ich hoffe, daß dieser Schlaf für ihr Fieber gut ist. Schon in der Nacht hatte ich den Eindruck, daß sie fiebrig sei.

     Das nächtliche Straßenbild ist ausgezeichnet geworden. –

Sonnabend, 13. Juni 53.     

     Das Tagesgespräch, wo man auch hinhört, ist die Blamage der Regierung. Ueberall hört man nur Gelächter. Dabei bekommen die mannigfachen Gerüchte, die bereits anläßlich der plötzlichen Urlaubs Wilhelm Pieck's auftauchten, neue Nahrung u. sie werden erweitert. Eine Tochter Pieck's, so hieß es schon damals, soll mit ihrem Mann, welcher ein hoher Funktionär der Volkspolizei ist, per Auto nach der Schweiz geflohen sein. An der Grenze soll es zu Schießerei gekommen sein. Man behauptet, daß auch Pieck selbst in dem Auto gesessen sei u. am Arm verwundet worden sei. Natürlich ist das Unsinn, aber daß solche Gerüchte im Volke hartnäckig umgehen, läßt doch tief blicken. Dazu kommt die Tatsache, daß vor garnicht langer Zeit der Chef der Privatkanzlei des Präsidenten nach dem Westen geflohen ist. Dies ist offiziell zugegeben worden. Man hat dann einen Nachfolger ernannt u. dieser ist gerade in diesen Tagen ebenfalls nach dem Westen geflohen. – Von Grotewohl sagt man, er habe sich erschossen. Auch das ist Unsinn, denn er hat erst gestern am sogen. Tag des Lehrers 29 Lehrer und Paedagogen zu „Verdienten Lehrern des Volkes“ ernannt, wobei er lt. Berl. Ztg. selbst zugegen war. Dieses Gerücht aber

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: Thim-Sieberg. , 1953, Seite 008. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-06-13_001.jpg&oldid=- (Version vom 1.3.2024)