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mindestens ihre Zwecke in Bezug auf die anderen Planeten unseres Systems, aber darüber hinaus ist sie ja nur ein Glied in dem weit darüber geordneten Weltallsystem, sodaß, wenn sie plötzlich zerstört werden könnte, ein Loch im Weltall entstehen müßte –, u. ein solches Loch ist eben nicht denkbar. Aber davon ganz abgesehen, ist schwer zu denken, daß die Sonne ihre verschiedenen Zwecke erfüllen sollte, ohne davon für sich selbst einen Vorteil zu haben. Man muß doch annehmen, daß sie ihre verschiedenen Aufgaben u. Zwecke erfüllt, weil sie daraus für sich selbst einen Selbstzweck schöpft. Und so wäre es dann auch mit dem Reiche der Möglichkeiten. Wenn dieses Reich der Möglichkeiten nur den Zweck hätte, die Materie zu vergeistigen durch eine ewige Verkümmerung, ohne dadurch für sich selbst eine Vervollkommnung zu erfahren, so wäre das eine ausweglose Sterilität, die man nicht begreifen könnte. Und in der Tat erfährt die Möglichkeit auch eine gewaltige Bereicherung durch die Vergeistigung der Materie. Ehe diese Vergeistigung so weit vorgeschritten war, daß es z.B. noch keine Anwendung der Elektrizität gab, da waren diese elektrischen Apparte u. Maschinen auch noch nicht in der Möglichkeit vorhanden –, d.h. sie waren natürlich schon vorhanden von Ewigkeit her, aber diese Möglichkeit muß eben eine ganz andere gewesen sein, als sie war von dem Zeitpunkt an, als der erste elektrische Apparat erfunden wurde. – Daraus ergibt sich, daß es im Reiche des Möglichen zwei Arten von Möglichkeiten geben muß. Die eine Möglichkeit ist die bereits in der Materie verwirklichte, aber verkümmerte Möglichkeit, also die Möglichkeit, die bereits in einer verkümmerten Weise Wirklichkeit geworden ist, u. jene andere, die noch nicht verwirklicht worden ist, aber vielleicht in tausend Jahren u. mehr einmal verwirklicht werden wird. Diese weit entfernten Möglichkeiten rücken also durch die immer weiter fortschreitende Vergeistigung der Malerie allmählich nach vorn, es sind das Möglichkeiten, die mit der Zeit erst möglich werden. Es muß also Möglichkeiten sehr entfernten Grades geben u. andere Möglichkeiten, die realisierbar sind, wenn auch in verkümmerter Weise. – Nun mag dem sein wie immer –, sicher scheint aber zu sein, daß ein Mensch, wenn er geboren wird, aus diesem Reiche der Möglichkeiten heraustritt u. in das Reich der Wirklichkeitkeit –, ein elendes, verkümmertes Reich, eintritt. Und notwendig muß dann der Tod eine Rückkehr in das Reich der Möglichkeiten sein, eine Befreiung aus der Enge u. dem Schmutz der Wirklichkeit, eine Rückkehr in das Reich der Freiheit. Nur daß diese Rückkehr ohne Bewußsein vor sich geht, denn Bewußtsein u. Persönlichkeit sind

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Hans Brass: TBHB 1953-03-03. , 1953, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-03-03_003.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2024)