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geräumt hätten. Es ist damit wenigstens eine Wiederholung von Stalingrad vermieden worden, aber so ohne Verluste an Menschen u. Material, wie gesagt wird, wird diese Operation nicht vor sich gegangen sein.

     Die Evakuierung Berlins ist in vollstem Gang. Die Schw. Oberin telegraphiert aus Mährisch-Ostrau, wohin anscheinend die Pfleglinge der Aquinaten verbracht worden sind. Es herrscht Panikstimmung, man erwartet die Bombardierung Berlins jeden Augenblick.

     Agnes Borchers=Papenhagen hat endlich Nachricht von ihrem Mann aus Hmb.

     Am Dienstag Nachmittag bei Frau Monheim gewesen.

     Heute im Geschäft begrüßte uns Herr Ringeling, den wir zum Sonntag Nachmittag einluden.

     Die Hitze hat nachgelassen, wir hatten Gewitter in den letzten, aufeinanderfolgenden Nächten, dazu etwas Regen, sodaß die schlimmste Dürre gewichen ist. –

     Aus Italien hört man überhaupt nichts, alle Nachrichten von dort sind gesperrt.

     Es gibt seit Hamburg keinen Tabak mehr. Die Leute kommen täglich zu mir, um zu fragen, ob nicht doch etwas gekommen wäre. Auch auf die Kleiderkarten gibt es nichts mehr zu kaufen, jeder Verkauf ist gesperrt. Infolge der Dürre gibt es kaum noch Magermilch.

     Heute Postkarten von Marthas Schwester Emma u. Cousine Martha Bahnson aus Hmb. Alle sind noch lebend, aber es gibt dort weder Wasser, noch Gas, noch Licht usw. Es muß furchtbar sein. Dazu die Angst vor neuen Angriffen.

Sonnabend, 7. Aug. 43.     

     An der Ostfront haben wir nicht nur Orel den Russen überlassen, sondern auch Bjelgorod. Der Verlust dieser letzteren Stadt, sowie der Verlust Catanias, ist in unserem Herresbericht noch nicht zugegeben. –

     Gestern Abend war Erzpriester Feige u. P. Dubis bei uns. Leider waren Martha u. ich sehr müde. Ich schenkte dem Pfr. Feige eine neue Tabakspfeife, über die er sich sehr freute. – Die allgemeine Nervosität hält an, die Evakuierung Berlins wird mit Hochdruck fortgeführt. Nennenswerte Einflüge der Engländer fanden jedoch bisher nicht statt. Man erwartet sie erst Ende des Monats, wenn die Nächte länger geworden sind u. der Vollmond scheinen wird.

     Gestern kamen Zigaretten, die Sendung war arg bestohlen.

     Es geht jetzt ein neues Gerücht: Der ehemalige Kronprinz soll in Berlin sein u. Verhandlungen führen zur Aufstellung einer neuen Regierung. Es ist das seit Langem ein Wunschtraum nicht nur deutschnationaler Kreise, sondern auch breite Kreise des Mittelstandes u. auch viele Arbeiter sind dafür zu haben. Gegenwärtig gewinnen solche Ideen zweifellos an Wirklichkeit. Zwar glaube ich nicht, daß der Kronprinz, falls er wirklich solche Absichten verfolgen sollte, auf die Dauer damit Erfolg haben wird; aber im Augenblick wäre seine Person zweifellos ein Centrum von sehr starker Anziehungskraft u. er könnte die Sache in's Rollen bringen. Sicher werden viele hohe Offiziere u. Beamte hinter ihm stehen, doch ist es ein sehr gefährliches Spiel, bei dem er leicht das Leben verlieren kann. Vielleicht aber ist das die einzige Möglichkeit, aus dem Dilemma herauszukommen.

     Im Führerhauptquartier sollen ebenfalls bedeutende Verhandlungen geführt worden sein, an denen Göring, Goebbels, Speer

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Hans Brass: TBHB 1943-08-05. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-08-07_001.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2024)