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Demonstationen gekommen zu sein. –

     Unter diesen Beunruhigungen haben wir uns entschlossen, die Enkelkinder beschleunigt nach Regensburg zurück zu schicken. Wir fürchten zwar kaum, daß hier in Ahr. etwas passieren könnte, obgleich bei der fürchterlichen Trockenheit und Hitze, welche seit Wochen herrscht, ein paar Brandplättchen genügen, um alles Gras in Brand zu setzen, aber vor allem fürchten wir, daß nun bald der furchtbarste Angriff auf Bln. stattfinden wird, u. dann ist den Kindern der Heimweg verlegt. Also werden wir sie morgen nach Ribnitz schicken, von wo sie dann Lene Dude, jetzige Frau Breken, ihr früheres Mädchen, nach Regensburg bringen wird. Damit sind wir dann zwar einiger Freude, aber auch sehr großer Last u. Sorge ledig. Jens, der Sohn von Klaus, bleibt vorläufig noch hier unter Margret's Obhut.

Donnerstag, 29. Juli 1943.     

     Heute Vormittag 11 Uhr haben wir die Kinder nach Ribnitz geschafft, Frau Matusch holte sie ab u. nahm sie im Wagen mit. Eine Stunde vorher kamen eine große Anzahl Flugzeuge in großer Höhe über unseren Ort man will bis zu 60 Apparate gezählt haben. Gleich darauf setzte starkes Abwehrfeuer in Rostock ein. Wir hörten, daß an der ganzen Küste bis Stettin Fliegeralarm war. So war es wirklich die höchste Zeit, daß die Kinder fortkamen. Sie sind heute in Ribnitz geblieben u. fahren morgen früh nach Regensburg weiter, wo sie um 9 Uhr Abds hoffentlich gut ankommen.

     Am Vormittag wurde uns ein Telegramm aus Hmb. telephonisch durchgegeben. Es lautet: „Max stark beschädigt, Emma in Ordnung“. Eine Unterschrift fehlte. Agnes Borchers, die Tochter des Nachbar Papenhagen ist nun auch aus Hmb. hier eingetroffen, doch ist sie wohl noch in Wustrow bei ihrer Schwester, ich habe sie noch nicht gesprochen.

     Die politische Lage ist seit gestern unverändert. England u. Amerika verlangen bedingungslose Kapitulation von Italien, doch ist es noch nicht so weit, wenngleich in Mailand u. Turin auch Demonstrationen für den Frieden stattfinden sollen. Das braucht seine Zeit.

     Es ist überaus heiß u. trocken.

     Es ist die Zeit der unkontrollierbaren Gerüchte, so z.B., daß Göring bereits nach Tokio geflohen sei. Das dürfte Unsinn sein, aber man glaubt alles. – Im Kurzwellensender entdeckte ich heute einen offenbar illegalen Sender deutschnationaler Richtung, der sich vom Nationalsozialismus abzusetzen versuchte u. dazu die abgeleierten Platten von Deutschlands Ruhm u. Ehre u. nationaler Kraft neu aufgelegt hat. Man will sich also vom Sozialismus trennen u. nur noch National sein wobei man darauf spekuliert, daß es ja grade die Deutschnationalen um Hugenberg gewesen sind, die Hitler ans Ruder gebracht haben. Man kann sich nur über solch dumm dreiste Unverfrorenheit wundern.

     Auf Sizilien machen die Gegner nur sehr langsame Fortschritte. Die Russen behaupten, bei Orel Fortschritte zu machen, was wohl stimmen wird, jedoch geschieht auch dies nur sehr langsam. Militärisch scheint demnach noch alles in Ordnung zu sein. – Die Stimmung im Publikum ist nervös u. sehr gedrückt.

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Hans Brass: TBHB 1943-07-28. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-07-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.5.2024)