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Es ist verboten, daß mehr als drei Personen sich in der Oeffentlichkeit oder in geschlossenen Räumen versammeln oder überhaupt miteinander reden. Jeder, der seine Wohnung verläßt, muß Ausweispapiere bei sich tragen, alle Haustüren müssen Tag u. Nacht geöffnet bleiben, alle Fenster müssen vom Abend bis zum Morgen geschlossen bleiben, – eine Maßnahme, die in Italien bei dem diesjährigen heißen Sommer fast unerträglich sein dürfte. – Nun, dergleichen wird bei uns ja auch bald geschehen. Die Namen der Neuen Regierung sind ebenfalls bekannt gegeben worden, sie sind mir sämtlich unbekannt, jedenfalls ist kein Fascist darunter. Ob der König sich damit retten wird, dürfte indessen zweifelhaft sein. Diese Regierung ist, wie stets in solchen Fällen, nur ein Uebergang.

     Gestern haben sie Hannover bei Tage angegriffen, auch Hamburg. Es hat wieder schwere Verluste gegeben. Diese Angriffswelle nähert sich nun immer mehr Berlin. Auch für Rostock wird wieder gefürchtet. Die Batterie hat über Mittag wieder Alarm gegeben, ich hörte die Flieger gegen zwei Uhr. Der Statthalter von Mecklenburg, Gauleiter Hildebrandt, hat gestern sämtliche Mecklenburgischen Bonzen zusammengetrommelt, um, wie es heißt, „ein glühendes Treuebekenntnis zum Führer“ abzugeben. Nun beginnen diese Leute ernstlich Angst um ihre Futterkrippen zu bekommen.

Mittwoch, 28. Juli 1943.     

     Die Nervosität ist sehr groß, es war heute im Geschäft deutlich zu spüren, zumal heute Nacht wieder sehr große Massen von Fliegern über uns hinweg geflogen sind. Am Nachmittag wurde durch den Heeresbericht bekannt, daß wiederum ein sehr starker Angriff auf Hamburg stattgefunden hatte. Mit Hamburg selbst ist keine Verbindung zu bekommen. Da viele Hamburger hier sind u. sehr viele ihre Verwandten in Hamburg haben, ist natürlich die Besorgnis sehr groß, auch bei Martha. Von Otto Wendt bekamen wir jedoch heute eine Karte, in der er mitteilt, daß sie „bis jetzt“ noch leben, da Blankenese bisher verschont geblieben sei, sonst aber sei Hamburg eine erledigte Stadt. Es gibt kein Gas, an vielen Stellen kein Wasser u. kein Telephon, ob noch ein Bahnhof steht, weiß er nicht, ebenso wenig weiß er, ob die Häuser von Max u. Emma Wendt noch stehen, von den weiteren Verwandten weiß er es natürlich ebensowenig. Sein Kontor u. Lager ist niedergebrannt. Bahnverbindung nach Hmb. gibt es noch nicht. Die Karte ist vom 26. 7. datiert, also am Montag u. um 19 Uhr in Blankenese aufgegeben, sie ist also überraschend gut hier eingetroffen. –

     Ueber Italien hört man in unseren Zeitungen nichts. Es wird erzählt, der Führer habe bei seiner Zusammenkunft mit dem Duce am 21. Juli diesem vorgeschlagen, ganz Süditalien aufzugeben u. die Flotte nach Toulon zu bringen. Der Duce soll diesem Vorschlag zugestimmt haben, doch haben sich die Minister und sonstigen Parteileute mit großer Mehrheit dagegen ausgesprochen, vor allem Graf Ciano. Mussolini soll ihn, seinen Schwiegersohn, einen gemeinen Verräter geschimpft haben u. ist daraufhin zurückgetreten. Höchst interessant ist die Tatsache, daß mit dem Rücktritt Mussolinis auch die ganze Schwarzhemden=Miliz auseinandergefallen ist u. daß es zu keinerlei Kämpfen gekommen ist. Ich glaube, daß sich daraus Rückschlüsse ziehen lassen auf das Verhalten unserer SS, wenn es zum Zusammenbruch kommt. – Der König hat die Fascistische Partei aufgelöst u. in Mailand u. Turin haben sich sofort wieder die alten demokratischen u. sozialistischen Parteien gebildet. In beiden Städten scheint es zu großen

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Hans Brass: TBHB 1943-07-27. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-07-28_001.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2024)