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Montag, 26. Juli 1943.     

     9 Uhr Morgens. Soeben wird im Rundfunk durchgegeben, daß der König von Italien ein Rücktrittsgesuch des Mussolini angenommen habe. Als Nachfolger ist der Marschall Badoglio ernannt worden, – dieser ist, so weit ich mich entsinne, s. Zt. von Mussolini abgesetzt worden. Der König hat einen Aufruf an das Volk erlassen, in dem das Wort Krieg nicht vorkommt. Auch Badoglio hat einen Aufruf erlassen, der offenbar den Versuch macht, durch eine energische Sprache die Ruhe im Lande aufrecht zu erhalten u. der davon spricht: „der Krieg geht weiter!“ – Natürlich geht er weiter, denn er kann von Italien allein nicht ohne Weiteres beendet werden, – aber es fragt sich: wie lange noch? Dies ist der erste, große Stein, der aus dem Fundament herausbricht, es wird einen furchtbaren Zusammenbruch geben.

     Die Zusammenkunft des Führers mit dem Duce hat am 21. Juli stattgefunden. Mussolini hat da seinen Rücktritt natürlich bereits gewußt, weshalb der amtliche Bericht auch auf eine Erwähnung der Herzlichkeit u. Freundschaft verzichtete u. auch die sonst übliche Feststellung der Gleichheit der Ansichten mußte unterbleiben, – man müßte ja sonst annehmen, daß auch der Führer abtreten wolle. – Wollen wird er schon, aber können! –

Dienstag, den 27. Juli 1943.     

     Gestern Nachmittag war P. Dubis im Geschäft, er war schon am Montag Abend eingetroffen. Heute morgen zelebrierte er. Nachher begrüßten wir Erzpriester Feige, der gestern Abend angekommen ist. Er war überaus herzlich, er ist wirklich ein prächtiger Mann.

     Inzwischen sind die Aufrufe des Königs v. Italien u. des Marschals Badoglio in der Zeitung erschienen. Der König hat den Oberbefehl über die gesamte Wehrmacht übernommen. Die ganzen Nachrichten werden äußerst kurz behandelt u. es wird nur gesagt, daß für den Rücktritt Mussolinis, „wahrscheinlich“ Gründe der Gesundheit vorliegen. Irgend welche weiteren Kommentare sind nicht erschienen. Um so niederschmetternder ist die Wirkung auf das Publikum. So weit sie als Nazis bekannt waren, sind diese Leute ganz aus dem Häuschen, die anderen sind voller Hoffnungen, wenngleich sich auch jedermann darüber klar ist, daß wir sehr bitteren Zeiten entgegengehen.

     Aus Hamburg hört man nichts. Spangenberg sagt mir, daß gestern sehr viele Leute abgereist seien, aber es heißt, daß die Leute nicht nach Hamburg hineingelassen werden u. daß niemand herausgelassen wird. Eine telephonische Verbindung ist nicht zu bekommen. Um so haltloser sind die Gerüchte. Man spricht von 1400 Flugzeugen, die den Angriff durchgeführt haben sollen. Jedenfalls erklärte gestern der Heeresbericht, daß 61 Flugzeuge abgeschossen worden seien, – es müssen also sehr viele gewesen sein.

     Die Flieger, die am Sonntag hier waren, haben Brandbomben geworfen, doch sind diese infolge des sehr starken Windes, der zu dieser Zeit grade herrschte, in den Bodden gefallen. Spangenberg will gesehen haben, daß sie auf dem Wasser gebrannt haben. Möglicherweise haben diese Brandbomben der Batterie gegolten. Wenn sie getroffen hätten, dann wäre bei dem starken Winde ganz Althagen vernichtet worden. Es ist wie ein Wunder, denn kurz vor dem Angriff war es noch fast Windstill u. später flaute der Wind wieder ab. – Der Dampfer Ribnitz-Wustrow hat den Betrieb wieder eingestellt, weil Gefahr besteht, daß auch Minen geworfen sind, was indessen unwahrscheinlich ist.

     Nach den letzten, heutigen Nachrichten herrscht in ganz Italien Belagerungszustand, d. h. Ausgehverbot vom Abend bis zum Morgen, niemand darf außerhalb seiner Wohnung sein

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Hans Brass: TBHB 1943-07-26. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-07-26_001.jpg&oldid=- (Version vom 7.5.2024)