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ausgedehnt haben bis zum Kuban-Brückenkopf, sodaß nun die ganze Front von Orel an bis zum Kuban in schwerem Kampfe steht.

     Die Engländer u. Amerikaner machen weitere Fortschritte auf Sizilien. Sie haben über Italien Flugblätter abgeworfen mit der Aufforderung, die Waffen niederzulegen. Bei uns im Rundfunk wird behauptet, daß sich daraufhin zahllose Italiener freiwillig zu den Waffen gemeldet hätten. Es ist das wieder einmal eine Dummheit, denn man sieht nun amtlich bestätigt, daß die Italiener trotz totalem Krieg bisher noch nicht daran gedacht haben, sich zu den Waffen zu melden, – sonst könnte es ja keine Freiwilligen mehr geben.

Dienstag, 20. Juli 1943.     

     Heute früh Gemeinschaftsmesse u. anschließend die ganz überraschende Nachricht, daß der Kaplan noch einen Freund in der Nähe Kolbergs besuchen will u. wir deshalb zunächst ohne Messe bleiben müssen. Wahrscheinlich wird die nächste erst in einer Woche sein, wenn der junge Pater Dubis S. J. kommt. Mit ihm oder gleich nach seiner Ankunft kommt dann Pfr. Feige, sodaß dann zwei Herren gleichzeitig hier sind.

     Gestern im Geschäft wieder toller Betrieb. Ueber 1000, – Rm. Kasse. Abends total erschöpft. Dr. Meyer kam noch, weil Martha glaubte, daß Orthrun Windpocken oder gar Masern hätte, aber es war nichts. Gott sei Dank! Da aber Masern herrschen, kann das noch kommen. Es würde uns noch grade fehlen.

     Die Engländer haben erstmalig Rom bombardiert.

Donnerstag, 22. Juli 1943.     

     Nachdem vorgestern im Heeresbericht von einer „beweglichen Verteidigung“ Sizieliens die Rede war, wurde gestern gesagt, daß sich unsere Truppen „vom Feinde abgesetzt“ hätten, d.h. also: Rückzug.

     Gestern Abend war Dorfversammlung in Sachen Luftschutz. Ich habe Klaus mit Margret hingeschickt. Nach Margret's Erzählung hat Prof. Reinmöller eine gradezu groteske Rede gehalten, denn er ist Oberbefehlshaber für den Luftschutz im Dorf. Er ordnete an, daß alle Leute heute sofort zum Strande gehen sollen, um Sand zu holen. Das ist aber überall längst geschehen. Ferner ordnete er an, daß überall Wassereimer aufgestellt werden müßten, jedoch besitzt kein Mensch mehr Eimer, die er nicht unbedingt gebrauchte. Schließlich ordnete er an, daß überall Feuerpatschen bereit stehen sollten, jedoch besitzt kein Mensch mehr Scheuertücher oder andere geeignete Stoffe, nachdem durch die wiederholten Spinnstoffsammlungen auch der letzte alte Lappen längst abgegeben worden ist. Diese sämtlichen Anordnungen des Herrn Professor sind also Quatsch. – Dann aber hat dieser Mann, über den das ganze Dorf lacht, weil er unter dem Pantoffel seiner Hausdame steht, mit der er ein Verhältnis hat, eine blutdürstige Rede gegen die Engländer gerichtet, die in dem Ausrufe gipfelte: Der Tag der Rache kommt, – dann wird diese ganze Insel in Feuer u. Schwefel untergehen u. diese Schweine werden totgeschlagen werden bis zum Letzten. –

     Gewiß ist die Art des Luftkrieges, wie ihn die Engländer u. Amerikaner führen, eine Rohheit, die in der Weltgeschichte einzig dastehen würde, wenn wir uns nicht vorher desselben Verbrechens schuldig gemacht hätten. So teilen wir uns mit ihnen in diesen Ruhm. Natürlich konnten wir nicht Rom bombardieren, wie sie es jetzt getan haben, – dennoch sind wir die erste Ursache dazu.

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Hans Brass: TBHB 1943-07-20. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-07-20_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.5.2024)