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mit offenen Armen aufnehmen wird, falls er zurückkehren will, bleiben Sie bei Ihrer Frau, von der Sie sich ja ruhig für einige Zeit räumlich trennen mögen, – u. bleiben Sie auf diese Weise frei von Schuld. – Nach dem, was mir H. andeutete, wird seine Frau eine Scheidung nur sehr schwer oder garnicht überleben. Ob ihm jenes Mädchen das ersehnte Kind schenken wird, ist ja noch nicht bewiesen, – u. wenn sie es tut, so ist noch nicht gewiß, ob dieses Kind ihm zur Freude gereichen wird. Die sinnliche Leidenschaft aber wird irgendwann einmal verrauscht sein, – u. was bleibt dann? Im besten Falle eine brave Mutter einiger braver Kinder u. auf jeden Fall eine schmerzhafte Stelle in seiner Seele, – doch kann dann auch diese Mutter weniger brav sein, vielmehr eine ganze Reihe von trüben Stellen aufweisen, die Kinder können mißraten, die wirtschaftliche Last wird groß sein, – jetzt lebt H., wie er mir selbst sagte, größtenteils vom Vermögen seiner Frau, – nachher soll er seinen eigenen Unterhalt allein bestreiten, dazu den für die Mutter u. den für die Kinder, u. je mehr diese Last drückt, um so drückender wird dann die Gewissenslast sein. Da H. ganz offensichtlich eine große Sehnsucht hat, mit Gott in Frieden zu leben, so wird er sich um so mehr in Schuld stürzen u. er wird sich den Weg zum Katholizismus, mit dem er so lange schon liebäugelt, gänzlich verbauen. – Alles das muß ich ihm sagen, – u. weiß doch, wie schwer es ist, einen Mann, der von sinnlicher Leidenschaft ergriffen ist, von diesem Weg zurückzureißen. –

     Politisch hat sein einer Woche eine große Propaganda=Aktion begonnen mit dem Ziel, zu beweisen, daß die Engländer mit dem Bombenkrieg auf offene Städte begonnen hätten. Die Engländer antworten u. beweisen das Gegenteil. Gestern hat nun eine große Sportpalast-Versammlung in Berlin stattgefunden, in der Reichsminister Speer zuerst dargelegt hat, wie ungeheuer, die Vermehrung der Rüstungsindustrie seit seiner Berufung zum Minister fortgeschritten sei, u. dann ergriff Herr Goebbels das Wort. Seine Ausführungen ließen durchblicken, daß nun von uns aus Vergeltungsangriffe gegen England erfolgen würden. Er sagte: Terror kann nur mit noch größerem Terror bekämpft werden. Wir werden es nun also erleben. Man spricht von neuen Preßluft-Granaten, die eine ungeheuerliche Wirkung haben sollen. Natürlich werden die Engländer entsprechend antworten u. damit dürfte dann der endgültige Untergang der Reste jener Städte besiegelt sein, die bisher schon fast ganz zertrümmert sind. Der Wahnsinn wird nun total werden. –

     In Argentinien ist Revolution ausgebrochen u. der bisherige achsenfreundliche Präsident ist geflohen. Also wird uns dieses Land nun auch den Krieg erklären.

     Churchill ist aus Amerika, wo er lange Zeit war, über Nordafrika nach England zurückgekehrt. In Afrika hat er sich eine Woche aufgehalten. Auch von dort her wird es nun bald losgehen.

     Der U=Bootkrieg ist katastrophal zurückgegangen. Von ihm hat Herr Goebbels gesagt, er wäre unser Griff an Englands Kehle, – aber dieser Griff ist sehr locker geworden u. er wird im Laufe der Zeit wohl noch lockerer werden. Deshalb braucht man nun etwas Anderes u. dieses Andere soll das nun beginnende Bombardement sein.

Dienstag, 8. Juni 1943.     

     Martha's Geburtstag. Festlicher Frühstück mit Bohnenkaffee und Käse, der von Fritz geschickt ist u. weichen Eiern. Margret war dabei. Auf dem Geschenktisch von mir ein silber=vergoldetes Armband, italienische Filigranarbeit, welches vor einigen Tagen mit anderen, ähnlichen Dingen von der Firma Henzog Seifert aus Hamburg grade zur rechten Zeit eintraf. Fritz u. Margret schenkten ein Paar entzückende Handschuhe aus Glacé-Leder, Parfüm, Seifenpulver u. ein Buch. Ruth rief aus Regensburg an während des Frühstücks. Dieses verlief sehr angeregt bei der eingegangenen

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Hans Brass: TBHB 1943-06-06. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-06-08_001.jpg&oldid=- (Version vom 14.5.2024)