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ihr sämtliches Dienstpersonal entlassen habe, – oder wenn nicht, ob sie als Rüstungsarbeiterin in die Fabrik ginge, – wie Dr. Goebbels es in seiner Rede von allen Frauen, „ob hoch oder niedrig“ verlangt habe. Dr. W. wußte es nicht, glaubte es aber nicht. Ich fragte weiter, ob er derartiges von anderen Frauen der Minister oder hohen Bonzen, etwa von der Frau des Herrn Dr. Goebbels wisse oder glaube. Er verneinte. Ich fragte dann weiter, ob dann wenigstens die Frau des Bürgermeisters von Ribnitz dergleichen täte. Er verneinte auch das. Ich fragte dann, ob wenigstens seine eigene Frau in die Fabrik ginge, – etwa zu Bachmann. Auch das verneinte er, doch fügte er hinzu, daß sie es erst dann tun würde, wenn die Frauen der Bonzen das Gleiche tun würden. – Ich fragte, ob er glaube, daß die Minister u. Bonzen wie wir monatlich nur eine einzige Glühlame zu 25 Volt erhielten, ob sie sich zur Kohlenersparnis auf ein einziges oder zwei Zimmer beschränkten. In dieser Weise fragte ich immer weiter, bis er wutschnaubend auf alle diese Minister u. Bonzen, vor allem auf Dr. Goebbels schimpfend abzog. Eine Viertelstunde genügte also, um seine Begeisterung in das Gegenteil zu verkehren. Er versuchte, sich zu retten, in dem er erzählte, es würden nunmehr aus den Betrieben eine Million kriegstaugliche Soldaten herausgezogen, dazu kämen drei Millionen, die aus der Organisation Todt herausgezogen würden. Mit diesen vier Millionen Mann würden die Russen im Sommer wieder bis zur Wolga zurückgetrieben werden. Ich fragte, bis wann diese Aktion abgeschlossen sein würde. Er sagte: bis zum 15 März, – der Führer hat das befohlen. Ich fragte, wie lange wohl die Einkleidung u. Ausbildung dieser vier Millionen dauern würde, wobei ich nur eine normale, infanteristische Ausbildung annahm. Er meinte: Zwei Monate. Das wäre also der 15. Mai. Ich fragte, wie lange wohl die Zusammenstellung dieser Vier=Millionen=Armeen zu schlagkräftigen Verbänden dauern könne. Er meinte: einen Monat. Also bis zum 15. Juni. Ich machte darauf aufmerksam, daß die Russen gegenwärtig damit beschäftigt seien, ihren Angriff auf Poltawa u. auf Dniepropetrowsk vorzutragen, – wo also die Russen wohl am 15. Juni stehen würden, beim endlichen Beginn unserer Offensive? Diese Frage tat er mit einer verächtlichen Handbewegung ab, – die Russen würden jetzt nicht mehr weiter kommen. – Ich meinte, ob wir nicht vielleicht diese ganze Sache mit Rußland von Anfang an unterschätzt hätten. – „Na ja“ – meinte er verlegen werdend. – Aber gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, daß die Russen wirklich nicht mehr weiter kommen sollten, ob denn die Engländer u. Amerikaner in der ganzen Zeit bis dahin garnichts tun würden, fragte ich weiter, z.B. Angriff auf Rommel in Afrika mit starker Uebermacht, Angriff auf Nordnorwegen mit Schwedischer Unterstützung, Angriff auf Griechenland, Angriff durch die Türkei hindurch. Auch solche Fragen tat er verächtlich ab. Die Türkei bliebe neutral, das wüßte er ganz genau von seinen Parteifreunden, welche beste Beziehungen hätten usw.

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Hans Brass: TBHB 1943-02-21. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-02-21_002.jpg&oldid=- (Version vom 26.4.2024)