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     Nach den Ostertagen ging hier gleich die Arbeit los. Ich firnißte den Fußboden der Bunten Stube, eine sehr anstrengende Arbeit, die mich drei volle Tage in Anspruch nahm u. mich erschöpfte. Jetzt bereiten wir die Saison vor. Das Geschäft sieht sehr viel besser aus, als im vorigen Jahre. Auf meine Veranlassung haben wir eine beträchtliche bauliche Vergrößerung durchgeführt u. haben die Einrichtung wesentlich verbessert. Ich hoffe, daß sich diese Verbesserungen bestens auswirken mögen, damit im Herbst Geld vorhanden ist, um unser Haus mit Wasserleitung, Badestube u. neuer Küche zu versehen. Ich möchte dann gern unten zu ebener Erde wohnen.

Müritz, den 23. Oktober (Sonntag) 1938.

     Es ist genau ein halbes Jahr her, daß ich nichts mehr in dieses Buch eingetragen habe.

     Die Sommersaison war ungewöhlich anstrengend mit ihrem täglichen zehnstündigen Dienst an der Kasse. Mehrmals war ich davon so erschöpft, daß wir am Sonntag nicht einmal hierher nach Müritz zur hl. Messe fahren konnten.

     Trotzdem gab es einige sehr schöne Ereignisse. Anfang Juli besuchte uns unvermutet Dr. Clemens Tetzlaff, der inzwischen Kuratus an der Marienkirche in Friedenau geworden war. Er hat dort zunächst einen überaus häßlichen Kampf zu bestehen gegen den Pfarrer Menzel, der sich mit allen Mitteln weigert, seinen Platz zu räumen u. nun seinem ehemaligen Kaplan in gehässigster Weise Schwierigkeiten bereitet. Dr. T. war eine ganze Woche lang Gast bei uns u. es waren sehr schöne Tage. Wir beratschlagten, wie wir wohl im nächsten Jahre am besten zu einer täglichen hl. Messe kommen können u. er will versuchen, es zu bewerkstelligen. An dem einen Sonntag, den er bei uns war, fuhren wir nach Müritz, damit er dort zelebrieren konnte u. es traf sich, daß P. Gelasius zur Erholung dort war u. das Hochamt hielt mit schmetternder Predigt. Zum Essen luden wir P. Gelasius ein, wir aßen in Müritz in einem Hotel, machten dann einen schönen Spaziergang u. waren nachmittags wieder zu Haue. Es war ein sehr schöner, unvergeßlicher Tag. P. Gelasius ist übrigens nicht mehr in Werl sondern ist Oberer in Münster geworden.

     Unter den Sommergästen dieses Sommers war die Wittwe der Stiefbruders meines Vaters, der gleich zu Anfang des Krieges als aktiver Offizier, Hauptmann einer M-G-Kompanie, gefallen ist. Seine Wittwe heiratete später einen Herrn Sorge, der zu der bekannten rheinländischen Industriellen-Familie gehört. Ich hatte sie ganz aus den Augen verloren. Nun tauchte sie plötzlich mit ihrem

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Hans Brass: TBHB 1938-04-26. , 1938, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1938-10-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2024)