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aufregende Aktion der letzten Tage mit der sicheren Notwendigkeit eines unvermeidlichen Naturereignisses abgerollt ist. Aber trotzdem ist dieses ganze Geschehen erschütternd durch die Neuheit der Methode. Während man in Moskau Prozesse veranstaltet, deren Ergebnisse Massenhinrichtungen führender Männer sind u. andere ohne Prozeß kalt gemacht werden, überläßt man bei dieser neuen Methode die Hinrichtung den unglücklichen Opfern selbst. Sie begehen lieber Selbstmord, als daß sie die sichere Aussicht auf sich nehmen, gefangen gehalten u. nie mehr frei zu werden. –

     Maria ist nach Berlin gefahren, weniger aus geschäftlichen Gründen, als wegen ihrer Tochter Ruth. Sie wird es dort nicht leicht haben u. schreibt mir heute darüber. Fritz ist in Hamburg, sodaß ich ganz allein im Hause bin u. leider heute nicht nach Müritz fahren konnte. Dafür war heute der erste, wirklich warme Frühlingstag. Ich habe den ganzen Vormittag vorm Hause in der Sonne gesessen u. Nachmittags im Hintergarten.

Dienstag den 26. April 1938.

     Wir haben wundervolle Ostertage hinter uns. Am Mittwoch vor Ostern fuhren wir nach Müritz u. blieben bis Dienstag nach Ostern. Die Schwestern u. der Rektor waren wie immer unglaublich nett u. taten alles, um uns das Leben so schön wie möglich zu machen. Am Karfreitag durfte ich in der Kapelle die Leidensgeschichte verlesen u. am Karsamstag wirkte ich als Vorsänger bei der Allerheiligen-Litanei mit. Es klappte ganz ausgezeichnet, obgleich ich dergleichen noch nie gemacht hatte u. nur vom Christkönigshaus her eine unvollständige Erinnerung an die Litanei hatte. Der Rektor gab mir am Freitag die Noten u. ich übte auf meinem Zimmer. Abends probierte ich mit der Schwester Oberin u. es klappte garnicht; aber am nächsten Morgen ging es ohne jede Aufregung u. ganz selbstverständlich.

     Außer uns war noch ein Herr Herkenrath aus Hamburg mit seiner sechzehnjährigen Tochter, einer reichlich selbstbewußten jungen Dame, dort. Herr H. lebt in Scheidung mit seiner Frau u. war leider recht eifrig in mannigfachen Schilderungen dieses Unglücks. Für einen Tag u. eine Nacht war auch ein Dr. Niemann aus Hamburg dort mit seiner Frau. Dieses Paar waren Konvertiten. Sie haben früher hier in Wustrow gewohnt, aber wir kannten sie nicht.

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Hans Brass: TBHB 1938-04-26. , 1938, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1938-04-26_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.4.2024)