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in meiner Wohnung einquartiert hatte u. daß ich noch von Glück reden darf, wenn ich meine Wohnung bloß halb ausgeräumt angetroffen hatte. Ich hätte also ebenso gut auch einen ganz fremden Menschen dort antreffen können.

     Als alle Sachen aufgeladen waren, entschloß ich mich, zu P. Petrus zu gehen, um mich zu verabschieden. Ich war so verstimmt, daß ich vor diesem Moment Angst hatte. Ich traf bei ihm die Gräfin Norman aus Friedenau, die sich einige Bücher holte für die Prüfung zur Missio canonica. Sie sagte mir, daß am 26. September die schriftliche Prüfung begönne.

     Nachdem sie sich verabschiedet hatte, sprach ich allein mit P. Petrus, der nun von einer solch unerhörten Liebenswürdigkeit war, daß ich davon völlig entwaffnet war. Ich sagte kein Wort von all den Dingen, über die ich so verstimmt war. Er versicherte mir, daß seiner Ansicht nach kein Zweifel darüber sein könne, daß das Ordinariat mir die missio canonica auch ohne Prüfung erteilen würde, da man froh sein würde, wenn hier in dieser Gegend ein Mensch sein würde, der für die Sache tätig ist. Im Uebrigen drückte er seine Ueberzeugung aus, daß ich hier auf dem für mich richtigen Platz wäre u. er wünschte mir in herzlichster Weise allen Erfolg. Er brachte mich bis draußen vor die Tür u. verabschiedete sich in herzlichster Weise von mir.

     So konnte ich denn im letzten Moment doch noch erleichtert die Tür des Autos hinter mir zuklappen u. ich fuhr erleichtert davon, hinter mir eine Etappe meines Lebens zurücklassend, die wohl zu den schwersten gehören mag, die ich durchlebt habe.

     Wir hatten dann eine wundervolle Fahrt bei prachtvollem Wetter. Wir fuhren die Strecke über Waren, durch die schönste Gegend Mecklenburgs, u. waren gegen 6 Uhr wieder in Ahrenshoop.

     Am Sonnabend kam Maria aus Bln. mit der Bahn zurück, sodaß wir am Sonntag wieder zusammen nach Müritz zur Messe fahren konnten.

     Ich habe nun mein Zimmer hier richtig eingerichtet. Das große Kruzifix hängt an der Wand u. beherrscht das Zimmer, in der Ecke ein kleiner Altar zum beten. Ich selbst bin stark erkältet, doch ist's schon besser. Das Geschäft ist jetzt fast ganz still, Maria ist mit der Inventur im Gange, ich selbst besinne mich langsam auf mich. Ich habe beim Ordinariat meinen Antrag gestellt u. bin in Erwartung der Antwort.

     Das große Manöver zieht seine Kreise bis hierher. Wir sitzen abends bei hermetisch dicht verschlossenen Fenstern, damit kein Lichtschein nach außen dringt, aber sonst merken wir nichts, außer gelegentlichem fernen Kanonendonner u. einigen Patrouillenbooten draußen auf See. Das große Völkermorden wird organisiert.

     Ich habe im Sommer einige Bücher gekauft, die ein Schriftsteller in früheren Jahren bei einem Bauern zurückgelassen hat für seine nicht bezahlte Rechnung. Er war Franzose u. Katholik. Die Bücher sind fast alle französisch

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Hans Brass: TBHB 1937-09-22. , 1937, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1937-09-22_003.jpg&oldid=- (Version vom 5.4.2024)