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besonders schön ist, umfing uns sofort mit ihrer ganzen, warmen Liebe u. Traulichkeit. Die Schw. Oberin Salesia spielte im Hochamt nach wie vor entsetzlich schlecht auf dem alten, klapprigen Harmonium, das viele Mißtöne von sich gibt, – der Rektor las anstatt einer Predigt einen Hirtenbrief des Bischofs Berning von Osnabrück vor u. einen ebensolchen vom Bischof von Trier – über die Schulfrage – u. man erkannte, wie die Situation unserer Kirche immer gefährlicher wird u. ein Ausgleich immer unmöglicher zu werden scheint; – alles das war eher unerfreulich als schön; u. doch fühlten wir uns eben zuhause, – wie bei der Mutter, deren Sorgen unsere Sorgen sind. –

     Nach dem Hochamt begrüßte uns Schw. Oberin Salesia, dann Schw. Katharina, die Gastschwester die uns u. die sonstigen Gäste stets so sorglich betreut, u. Schw. Ephrem, die Altarschwester, eine stille, innige Frau, die in ihrem Eifer für Gott über sich hinausgegangen ist u. nun verwelkt, – u. Schwester Wilhelma, die kleine, dicke, pummelige Hamburgerin, die Konvertitin ist u. für die es keine Probleme gibt. – Wir mußten wie immer bei ihnen frühstücken u. alle freuten sich, daß wir da waren. Es war so überaus schön u. herzlich u. zutraulich, so warm – (obgleich es kalt war!) – so heimatlich, so zuhause, daß wir diese ganze Woche hindurch fröhlich waren im Wissen, daß es ein solches Glück gibt. –

     Wir haben in diesem Jahre das große Haus wieder in Besitz genommen, u. um es zu bewirtschaften, haben wir ein Frl. Schmidt engagiert, welche die Schwester eines anderen Frl. Schmidt ist, die im vorigen Jahre hier war mit einer Familie, bei der sie als Kindergärtnerin angestellt war. Wir lernten sie kennen, weil die frühere Oberin aus Müritz, Schw. Lioba, sie an uns gewiesen hatte. Sie war nämlich früher einmal unter Schw. Lioba als Kindergärtnerin in Müritz tätig gewesen. Wir haben sie dann im vorigen Jahre einigemale nach Müritz mitgenommen u. sie hat uns damals von dieser jüngeren Schwester erzählt. Diese ist nämlich ebenfalls gelernte Kindergärtnerin u. in dieser Stellung hatte sie einen Herrn kennen gelernt, der als Ingenieur in einer offenbar gut bezahlten Stellung war. Er war Witwer mit Kindern u. wollte sie heiraten. Indessen war er Protestant, – u. da die Eltern strenge Katholiken sind, ergaben sich daraus natürlich Schwierigkeiten. Inzwischen ist diese ganze Sache zerronnen. Da aber jenes Frl. Sch. einen sehr guten Eindruck auf uns gemacht hatte, so kam damals schon der Plan zustande, daß wir uns der jüngeren Schwester annehmen wollten, – u. dieser Plan hat sich nun verwirklicht.

     Es scheint so als sollte dieser Plan wirklich segensreich werden. Das junge Mädchen ist durch dieses erste Liebeserlebnis u. seine Enttäuschung, mit der es geendet hat, offenbar recht tief berührt worden. Die Enttäuschung, die letzten Endes ja in ihrer Zugehörigkeit zur kath. Kirche ihre Ursache hat, hat zunächst, wie nicht anders zu erwarten ist, einen Groll auf diese Kirche hervorgerufen. Das schadet garnichts, es ist nur natürlich u. beweist nur, daß sie ein Mensch ist, der die Dinge nicht oberflächlich nimmt. Es wird an uns sein, sie nun im Glauben wieder zu festigen. So haben wir sie denn auch am Sonntag mit nach Müritz genommen. Zwar hat sie nicht kommuniziert, aber der Eindruck scheint tief gewesen zu sein. Die Schwestern, waren zu ihr genau so liebevoll, wie zu uns u. das hat gewirkt. Sie taut seitdem sichtlich auf, wird fröhlicher u. zutraulicher, dabei ist sie überaus fleißig u. macht den ganzen Haushalt mit Lust und Liebe.

     Das Ehepaar Bittner hat uns recht gestört, aber nun sind sie fort u. von heute Abend an werde ich jeden Abend um 9 Uhr mit Maria u. Frl. Schmidt Matutin u. Laudes beten u. zum Schluß die Komplet. Vielleicht können wir Sonntags wenigstens auch

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Hans Brass: TBHB 1937-04-28. , 1937, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1937-04-28_002.jpg&oldid=- (Version vom 31.3.2024)