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zu behandeln. Auch hat Japan das Recht der Europäer, in Korea Grundeigentum und Bergbauberechtigungen zu erwerben und frei darüber zu verfügen, die Küstenschiffahrt und andere Konzessionen, die sich die Fremden durch Staatsverträge zur Zeit der Unabhängigkeit Koreas gesichert haben, ausdrücklich zugestanden, um seine Auffassung, dass die Exterritorialität und die Gerichtsbarkeit der fremden Konsuln infolge der Einverleibung aufhören müssen, zur Anerkennung zu bringen. Auch darüber bedarf es noch zukünftiger Vereinbarungen. Der Gesamthandel Koreas mit Japan und der Aussenwelt belief sich im Jahre 1911 auf etwas über 150 Millionen M., wobei die Einfuhr fast dreifach so hoch ist wie die Ausfuhr. Die Steigerung gegen frühere Jahre entspricht jedenfalls nicht den japanischen Erwartungen. Dass Altjapan bei der Einfuhr die ausländische Konkurrenz um 75% übertrifft und aus Korea das 2½fache von dem ausführt, was andere Länder von dort direkt beziehen, erklärt sich aus der geographischen Lage und politischen Verbindung. Auch früher hatten die Japaner auf dem koreanischen Markt das Übergewicht. Natürlich bietet ein so nahe gelegenes und politisch beherrschtes Gebiet von der Grösse des penisularen Italiens mit einer Bevölkerung von 14 Millionen Einwohnern und günstigen klimatischen Bedingungen grosse Zukunftschancen. Einstweilen hält sich aber der Zuwachs, den Japans Volkswirtschaft durch die Annexion erhalten hat, bei der Ärmlichkeit der koreanischen Bevölkerung und bei den grossen Aufwendungen, die das „Mutterland“ für die „Kolonie“ Chosen machen muss, in bescheidenen Grenzen. Auch die Auswanderung, die in den letzten sechs Jahren allerdings von 72 500 auf 250 000 Köpfe gestiegen ist, scheint an der Grenze der Aufnahmefähigkeit Koreas für japanische Siedler angelangt zu sein. Der Widerstand des Parlaments gegen die dauernde Garnisonierung von zwei japanischen Divisionen in Korea hängt zum Teil mit den wirtschaftlichen Enttäuschungen zusammen, die man bis jetzt dort erlebt hat. Günstiger hat sich der Fischfang in den koreanischen Gewässern entwickelt.

Das Pachtgebiet Kwantung, das Japan von Russland übernahm, hat unter 488 000 Einwohnern etwas über 41 000 Japaner. Von seinem Handel, der 1911 in Ein- und Ausfuhr zusammen 89⅔ Millionen Yen betrug, kommt auf Japan etwas mehr als die Hälfte, auf China weniger als ¼, auf Europa und Amerika 1/5. Das Gebiet steht unter chinesischer Zollverwaltung und ist handelspolitisch auch für Japan Ausland. Es ist aber die Basis der wirtschaftlichen Vorherrschaft in der südlichen Mandschurei bis Shangshun, der Endstation der unter japanischer Verwaltung stehenden südmandschurischen Eisenbahn. Auf die Ausnutzung der sich dort ergebenden wirtschaftlichen Vorteile hat die südmandschurische Eisenbahngesellschaft, an der die japanische Regierung stark beteiligt ist, das allergrösste Gewicht gelegt. Die Kohlenminen von Fushun, die Erhebung der Soyabohne zum Welthandelsartikel, das Bedürfnis der japanischen Landwirtschaft nach Ölkuchen als beliebtesten Düngermittels, die Seesalzgewinnung und die Verarbeitung der Kaulian- (Hirse) Stengel zur Papierfabrikation, die Verbesserung der Seidenproduktion boten sofort lohnende Aussichten, die man auch deshalb nicht unbenutzt lassen durfte, weil die grosse Kapitalsanlage, die in der südmandschurischen Bahn steckt, sich verzinsen soll. In der wirtschaftlichen Einflusssphäre, die Japan durch die südmandschurische Bahn beherrscht, leben fast 12 Millionen Chinesen. Bei den vielen Reibungen, die Japans „Bahnpolizei“ und „Bahnschutztruppen“ mit den chinesischen Behörden und Truppenführern hatten, war es auch politisch wichtig, die Überlegenheit der japanischen Aufschliessungsarbeit zu erweisen. Trotz der Konkurrenz anderer Verkehrslinien, hob sich die Ausfuhr über Dalny (jap. Dairen) sprungweise, wie die folgende kleine Tabelle beweist:

Ausfuhr in Dalny.
1907 1908 1910
Yen
Soyabohnen 6 400 000 10 459 450 16 493 439
Bohnenkuchen 4 800 000 8 478 179 8 866 706
Rohe Tussahseide 3 554 841 1 782 519.

Japan mit seinen Besitzungen umfasst jetzt ein durch kein fremdes Staatsgebiet unterbrochenes Reich von der Ausdehnung Österreich-Ungarns mit Bosnien und der Herzegowina.

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 380. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/396&oldid=- (Version vom 25.12.2021)