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abends bis 6 Uhr früh währen. Vor und nach einer Niederkunft dürfen sie im ganzen während 8 Wochen nicht beschäftigt werden. Nach dieser müssen wenigstens 6 Wochen verflossen sein. Verboten ist ihre Beschäftigung in Kokereien und mit dem Transport von Baumaterialien, ferner unter Tage und mit gewissen Ausnahmen auch bei der Förderung über Tage. Zur Verhütung von Umgehungen darf ihnen Arbeit insoweit nicht mit nach Hause zur Verrichtung gegeben werden, als dadurch jener gesetzliche Rahmen der täglichen Arbeitszeit überschritten würde, und an Sonn- und Festtagen überhaupt nicht. Als Kontrolle dient der Zwang zur Anzeige jeder Beschäftigung von Arbeiterinnen an die Polizeibehörde und zum Aushang des Textes der Schutzvorschriften an der Arbeitsstelle. Der Bundesrat kann diesen Schutz auf andere als die zu I genannten Werkstätten, die weniger als 10 Arbeiter beschäftigen, und auf ebensolche Bauten ausdehnen.

Das Gesetz lässt, um diesen Schutz den Bedürfnissen des Lebens möglichst anzupassen, einerseits zahlreiche Ausnahmen, andererseits Verschärfungen zu, wobei dem Ausführungsrechte des Bundesrats ein breiter Spielraum eingeräumt ist. Namentlich kann er die Verwendung von Arbeiterinnen in gewissen Gewerben, die mit besonderen Gefahren für ihre Gesundheit oder Sittlichkeit verbunden sind, ganz verbieten oder nur bedingungsweise zulassen. Nach jenen beiden entgegengesetzten Richtungen hat er von diesem Rechte weitgehenden Gebrauch gemacht.

Der Schutz der jugendlichen Arbeiter beiderlei Geschlechts rechtfertigt sich ohne weiteres aus deren geringerer Widerstandsfähigkeit in den Entwicklungsjahren gegen Gefahren, die ihre Gesundheit und Moral bedrohen. Die G.O. unterscheidet die „jugendlichen Arbeiter“ als „Kinder“, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und „junge Leute zwischen 14 und 16 Jahren“. Verboten ist die Beschäftigung von Kindern unter 13 Jahren schlechthin, von älteren nur, sofern sie, was in Bayern nicht der Fall ist, noch schulpflichtig sind. Für eine bestimmte Reihe von Gewerben verbietet sie das Kinderschutzgesetz, und zwar auch für eigene Kinder, mit dem Rechte des Bundesrats, diesen Kreis zu erweitern oder abzuändern. Soweit nach diesem Gesetze Kinderarbeit erlaubt ist, dürfen fremde Kinder unter 12 Jahren gar nicht, eigene unter 10 Jahren ebenfalls nicht, ältere nur in gewissen Grenzen, besonders nicht zwischen 8 Uhr abends und 8 Uhr früh beschäftigt werden. Dies gilt auch für das Handels- und das Verkehrsgewerbe und für Botendienste. Noch weitergehende Beschränkungen zieht es für den Gewerbebetrieb im Umherziehen, für öffentliche Schau- und Vorstellungen und für das Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe. In letzterem dürfen Kinder unter 12 Jahren gar nicht und Nachts auch ältere Kinder nicht beschäftigt werden, weder fremde noch eigene. Nach der G.O. ist die Arbeit Jugendlicher an Sonn- und Festtagen sowie während seelsorgerischer Unterrichtsstunden verboten. Ausnahmen für kontinuierliche und unregelmässige Betriebe kann der Bundesrat zulassen, der anderseits die gewerbliche Arbeit solcher Personen in gleichem Umfang wie die von Arbeiterinnen verbieten kann und davon Gebrauch gemacht hat. Sie bestimmt ferner, dass Kindern unter 14 Jahren, soweit überhaupt, höchstens 6 Stunden, 14–16 jährige höchstens 10 Stunden täglich beschäftigt werden dürfen, beide Arten nicht vor 5½ Uhr früh noch nach 8½ Uhr abends. Die Mindestpausen betragen für die ersteren ½ Stunde, für die letzteren Mittags eine, vor- und nachmittags je ½ Stunde. Der Bundesrat kann sie abkürzen oder wegfallen lassen für Gewerbe, in denen ihre Natur oder die Rücksicht auf die Arbeiter es erwünscht erscheinen lässt. Verzeichnisse der beschäftigten Jugendlichen und ihrer Arbeitszeiten müssen an den Betriebsstellen aushängen. Die Beschränkung der Mitgabe von Arbeit nach Hause und die elfstündige Mindestruhezeit gelten auch für Jugendliche. Die Gewährung von Ausnahmen von diesen Vorschriften ist im wesentlichen wie bei der Beschäftigung von Arbeiterinnen zulässig. Die Verpflichtung der jugendlichen Arbeiter, auch Handlungsgehilfen und -Lehrlinge, zum regelmässigen Besuch der allgemeinen Fortbildungsschulen kann durch Kommunalstatut ausgesprochen werden. Die Arbeitgeber müssen die dafür nötige Zeit freigeben. Zur Verhütung von Kontraktbruch müssen minderjährige Arbeiter Arbeitsbücher haben, aus denen Zeit und Art ihrer Beschäftigung zu ersehen sind und die der Arbeitgeber verwahrt. Die Eintragung von Merkmalen ist auch hier verboten.

Das Lehrlingswesen ist in je einem besonderen Abschnitte allgemein und speziell für Handwerker, namentlich hinsichtlich des zur Vermeidung erheblicher Nachteile schriftlich abzufassenden Lehrvertrags und des behördlichen Einschreitens gegen die häufige „Lehrlingszüchterei“ geregelt.

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/32&oldid=- (Version vom 5.11.2021)