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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

verschaffen und dadurch Benachteiligungen des Arbeiters mittels Geheimhaltung oder Verschleierung dieses Inhaltes vorbeugen, ausserdem die Abschliessung des Arbeitsvertrages vereinfachen und erleichtern. Einfluss auf die Arbeitsordnung haben die Arbeiter nur, sofern es der Zustimmung eines besonderen Arbeiterausschusses für Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung der Wohlfahrtseinrichtungen und dasjenige der minderjährigen Arbeiter ausserhalb des Betriebe bedarf. Im übrigen muss dem Ausschuss oder den grossjährigen Arbeitern nur Gelegenheit zur Äusserung über den Inhalt gegeben werden. Ausgeschlossen sind Strafbestimmungen, die das Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, eingeschränkt ist das Recht der Geldstrafenverhängung. Die zulässigen Gründe der Aufhebung des Arbeitsvertrages und der Verhängung von Geldstrafen müssen in der Arbeitsordnung vorgesehen sein. Soweit er den Gesetzen nicht zuwiderläuft, ist der Inhalt der Arbeitsordnung rechtsverbindlich. Die Verwaltungsbehörde hat die Umwandlung eines gesetzwidrigen Inhalts in gesetzmässigen zu veranlassen.

Ständige Arbeiterausschüsse sind von der Arbeiterschaft eines Betriebes aus ihrer Mitte gewählte Vertretungen, denen es obliegt, deren Ansichten, Wünsche und Beschwerden dem Arbeitgeber gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Soweit sie an der Arbeitsordnung mitwirken dürfen, muss ihre Mehrheit von den volljährigen Arbeitern unmittelbar und geheim gewählt sein. Man hat von ihnen für die Pflege des sozialen Friedens viel erhofft, doch ist ihre Wirksamkeit eine geringe, hauptsächlich wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit dieser Vertreter vom Arbeitgeber. Eine obligatorische Einrichtung mit gesetzlich bestimmtem Wirkungskreise sind sie in Preussen für alle Bergwerke mit mindestens 100 Arbeitern, in anderen deutschen Staaten für Bergwerke mit verschieden bestimmter Mindestzahl von Arbeitern. Auch in den meisten deutschen Staatsbahn- sowie in vielen städtischen Betrieben und in der württembergischen Post- und Telegraphenverwaltung sind sie als organische Einrichtung eingeführt, durchweg aber nur mit beratender Mitwirkung.

II.

Die weiblichen Arbeiter bedürfen eines ganz besonderen Schutzes, weil sie den mit der gewerblichen Arbeit verbundenen Gefahren in erheblich höherem Grade ausgesetzt sind. Der weibliche Organismus ist an sich in vielen Hinsichten, z. B. gegen übermässig langes Stehen und Sitzen, weniger widerstandsfähig. Dazu kommen besondere Zustände desselben, die in gewissen Zeiten eine stärkere Empfänglichkeit für gesundheitliche Schädigungen bedingen (Menstruation, Schwangerschaft usw.). Ferner ist für die Arbeiterinnen die Gefahr der Überanstrengung besonders gross, weil sie zumeist noch ein reichliches Mass häuslicher neben der beruflichen Arbeit zu verrichten haben. Weiter beruht vorzüglich auf der Gesundheit der Frauen als der Gebärerinnen die Hoffnung auf kräftige neue Generationen und insofern geradezu die Zukunft der Nation. Endlich ist ihre Organisationsfähigkeit aus mannigfachen Gründen viel geringer als die des Mannes, so dass die soziale Selbsthilfe bei ihr zumeist versagt. Besonders schädlich sind für sie gewisse Arten von Arbeit, wie Nachtarbeit, Arbeit unter Tage, in Betrieben mit starker Hitze. Eine mechanische Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Berufsarbeit, wie sie als Konsequenz einer radikalen „Emanzipation“ der Frau gefordert wird, wäre daher eine krasse Imparität. Anderseits würde ein allgemeines Verbot der gewerblichen Frauenarbeit wegen der damit verbundenen Verkürzung des Familieneinkommens nicht durchführbar sein ohne schwerste Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Arbeiterklasse, zumal da nach den Ermittlungen des Reichsamts des Inneren Ursache der Fabrikarbeit der Frauen regelmässig irgend eine Not ist, wie Krankheit, Arbeitsscheu oder Strafhaft des Mannes, böswillige Verlassung seiner Familie, übergrosse Kinderzahl, zu niedrige Entlohnung der Männerarbeit usw. Diese Not und ihre Folgen würden enorm vergrössert werden, die Heimarbeit, die Inanspruchnahme der Armenpflege und das Konkubinat zunehmen, die Eheschliessungen und die ehelichen Geburten dagegen abnehmen. Der gesetzliche Schutz beschränkt sich daher auf angemessene Verkürzung ihrer Arbeitszeit und Erzwingung der nötigen Rücksichtnahme auf ihre Gesundheit und Sittlichkeit während der Arbeit.

Arbeiterinnen dürfen höchstens 10 Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn- und Festtage höchstens 8 Stunden und nicht nach 5 Uhr Nachmittags, mit mindestens einstündiger, für „Hausbesorgerinnen“ 1½ stündiger Mittagspause beschäftigt werden. Ihre Nachtruhe muss von 8 Uhr

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/31&oldid=- (Version vom 5.11.2021)