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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

sich fast durchweg über den Durchschnittsbetrag der Gehälter der übrigen deutschen Privatangestellten erhebt.

Entlassungen von Angestellten im Falle schlechter Konjunkturen oder Krisen sind mit dem Wachstum der Grösse der Bankkapitalien immer seltener geworden und ich habe, in Übereinstimmung mit den von mir befragten Vertretungen der Bankbeamten, auch feststellen können, dass, entgegen manchen Befürchtungen, Entlassungen von Bankbeamten infolge der zahlreichen Banken-Fusionen oder Aufnahmen von Privatbankgeschäften in keinem irgend nennenswerten Umfange eingetreten sind.

Auch die soziale Fürsorge, sei es im Wege der Ausdehnung der Sonntagsruhe, des Sonnabendfrühschlusses und einer besseren Regelung der Urlaubszeiten, sei es durch eine Sicherung der Zukunft der Angestellten und ihrer Hinterbliebenen, ist, in Übereinstimmung mit dem Programm, welches ich als Vorsitzender des I. Deutschen Bankiertages in Frankfurt a. M. im September 1902 entwickelte, im Verlaufe der Konzentrationsentwicklung erheblich gefördert worden. Schon im Jahre 1903, zu einer Zeit also, wo die Reichsregierung noch keine derartige Pläne für die Privatangestellten verfolgte, hat der Centralverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes die umfangreichen und überaus mühevollen und langwierigen Vorarbeiten begonnen, um feste Grundlagen für eine Pensions- und Reliktenversorgung der Bankbeamten durch private statistische Erhebungen zu gewinnen. Auf Grund dieser Arbeiten ist 1909 der „Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes (a. G.)“ begründet worden, in dessen ehrenamtlichem Aufsichtsrat, dem ich vorsitze, Chefs und Angestellte zusammen sitzen, und der den im Verein befindlichen Beamten im Falle der Dienstunfähigkeit eine Pension und im Falle ihres Todes den Witwen und Kindern angemessene Witwengelder und Waisenrenten sichert. Dieser Verein ist nach dem Inkrafttreten des (Reichs-)Versicherungsgesetzes für Angestellte vom 23. Dezember 1911 vom Bundesrat als Ersatzkasse anerkannt worden.

Was die Leiter der Banken betrifft, so wird es mit dem Fortschreiten der Konzentrationsentwicklung, also mit der Grösse der zu leitenden Banken und Bankgruppen immer schwerer werden, solche Männer zu finden, welche mit den nötigen banktechnischen und wirtschaftlichen Kenntnissen und Erfahrungen die Stärke eines besonnenen Charakters verbinden, der den vielen Versuchen, die ihm auf diesem Gebiete entgegentreten, zu widerstehen vermag, und die zugleich weiten Blick, Initiative und organisatorische Tüchtigkeit besitzen. Gerade die letzteren Eigenschaften aber sind es besonders, welchen Deutschlands Privatbetriebe in Industrie und Handel bisher soviel zu verdanken hatten und die sich nur in Privatbetrieben voll und frei entwickeln können, da in Staatsbetrieben immer sowohl der Initiative, wie dem in kaufmännischen Dingen unerlässlichen Wagemut der Leitung starke Hindernisse entgegenstehen.

Bei der gewaltigen Rolle, welche unser Bankwesen in unserem gesamten wirtschaftlichen Leben spielt, dessen Kräfte, Bewegungen und Ziele sich in der Entwicklung des Bankwesens getreu wiederspiegeln, spielt die Frage eine grosse Rolle, ob an der Spitze stets unseres Bankwesens führende Männer stehen werden, welche mit den geschilderten Eigenschaften auch ein volles Verständnis verbinden für die ihnen ganz besonders obliegenden sozialen Pflichten und für die Notwendigkeit, von der zu ihrer Verfügung stehenden Macht nur einen massvollen und dem Gemeinwohl zuträglichen Gebrauch zu machen. Wenn es auch sicherlich, mindestens bei der heutigen Grösse unserer industriellen und kaufmännischen Unternehmungen, übertrieben ist, von den Banken als den „Leitern des wirtschaftlichen Unternehmungsgeistes“ zu sprechen, so lässt es sich doch nicht verkennen, dass sie sowohl wie ihre Leiter, namentlich auf dem Gebiete der Kredit-Gewährung, auf dem bisher häufig Fehler gemacht worden sind, aber auch in vielen anderen Beziehungen, einen starken Einfluss auf weite Gebiete unseres wirtschaftlichen Lebens ausüben. Ein bei ihren Leitern etwa vorhandener Mangel an Einsicht in die hier zu ziehenden Grenzen, oder Grossmannssucht und Mangel an Selbstbeschränkung wird also mit Notwendigkeit nicht nur, wie wir leider nicht allzu selten erlebten, zum Zusammenbruch der so geleiteten Bank selbst, sondern auch zu schweren Schädigungen unseres gesamten wirtschaftlichen Lebens führen können und müssen.

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/360&oldid=- (Version vom 12.10.2021)