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Trotz der Anwesenheit zahlreicher redegewandter Anhänger von ihm hatte keiner den Mut für ihn einzutreten, ihn zu verteidigen.

Am Sonntag, am Tag vor der Wahl, wurde die Wählerschaft mittelst Flugblatt in Kenntnis gesetzt, daß Kegelmaier sich ihr am Abend im Harmoniegarten[ws 1] vorstellen werde. Hier erfuhr man in letzter Stunde von ihm, daß er seine Kandidatur aufrecht erhalte. Man erfuhr, daß auf dem Rathause ausgeputzt werden müsse, man erfuhr von ihm, daß er kein Programm nötig habe. Wer ihn kenne, werde wissen, daß wenn er gewählt werde, er seine Pflicht tun werde. Mit schmetternder Stimme haranguierte er die zahlreich erschienenen Wähler von der Gartenterrasse aus eine gute halbe Stunde lang.

Als wir nach ihm das Wort verlangten, wurde es einfach verweigert, ja der Wortmelder wurde von Kegelmaiers begeisterten Anhängern beinahe geprügelt.

Andern Tags, am Wahltag selbst, jagte noch ein Kegelmaier’sches Flugblatt das andere. Wenn ich nicht irre waren es fünf Stück. Die Wahlaufregung war bis zur Gluthitze gesteigert. Ich habe viele Wahlkämpfe mitgemacht, einen solchen nicht mehr.

Das Wahlresultat ergab für Kegelmaier 2040 Stimmen. Die übrigen drei Bewerber erhielten zusammen noch nicht 1000 Stimmen. Der Landrichter erhielt 423, der von uns unterstützte Amtmann 359 und der Volksparteiler 139 Stimmen. Wir hatten bei dieser Wahl, gegenüber dem Jahre vorher, über 300 Gemeindewählerstimmen verloren.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Der heutige Stadtgarten am Konzert- und Kongresszentrum Harmonie
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Kittler: Aus dem dritten württemb. Reichstags-Wahlkreis. Im Selbstverlag des Verfassers, Heilbronn 1910, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gustav_Kittler_Erinnerungen_1910.pdf/89&oldid=- (Version vom 1.8.2018)