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Die Teuerung

Wenn wir uns Rechenschaft darüber geben wollen, was uns im Laufe des Weltkrieges am meisten in Anspruch genommen, sozusagen im Mittelpunkt des Interesses gestanden hat, so werden wir, wenn wir ehrlich sein wollen, zugeben müssen, daß überall und zu jeder Zeit die Teuerung uns beschäftigt hat. Man mochte, sei es im Salon, oder sonst irgendwo, von einem beliebigen, noch so interessanten Thema, sei es der hohen Politik, der Strategie, der Kunst, der Wissenschaft usw. ausgehen, schließlich landete man doch immer wieder bei der Teuerung und erst dann taute man so recht auf, indem man so vielleicht ganz unbewußt, dem alten Worte: solamen miseris socios habuisse malorum, volle Gerechtigkeit widerfahren ließ. Das mag gewiß klein, oder gar kleinlich, unpatriotisch und selbstisch erscheinen, aber vergessen wir doch nicht, daß einerseits der Krieg bei uns von vornherein allenfalls nur bei den Leuten vom Schlage des zoologischen Patriotismus populär war, während er vom Gros der Bevölkerung als Aventure von höchst zweifelhaftem Ausgang aufgefaßt wurde, und daß andererseits auf der an sich relativ nichtigen Apfelsinenschale der Teuerung das Haus Romanow ausgeglitten und zu Fall gekommen ist und das ganze heilige Rußland in Trümmer zu gehen droht.

Auf eine gewisse Verteuerung der Fabrikate mußte man sich ja im Hinblick auf die ungenügende Entwicklung der russischen Industrie, die zudem noch von der Deckung des Kriegsbedarfs in so hohem Maße in Anspruch genommen

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Oskar Grosberg: Russische Schattenbilder aus Krieg und Revolution. C. F. Amelang, Leipzig 1918, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:GrosbergRussischeSchattenbilder.pdf/44&oldid=- (Version vom 1.8.2018)