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Religiöse Erziehung der Kinder.

Artikel 108.
Der Vater eines ehelichen Kindes hat, solange ihm das Erziehungsrecht (§ 1631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zusteht, das Recht, zu bestimmen, in welchem religiösen Bekenntnisse das Kind erzogen werden soll.

Artikel 109.

Stirbt der Vater oder verliert er das Erziehungsrecht, so ist das Kind in dem Bekenntnisse zu erziehen, welches der Vater vor dem Verluste des Erziehungsrechts durch eine von ihm in Person gegenüber dem Vormundschaftsgericht abgegebene Erklärung oder, wenn das Erziehungsrecht durch den Tod des Vaters erlischt, durch Verfügung von Todeswegen bestimmt hat.
Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so ist das Kind in dem Bekenntnisse zu erziehen, welchem der Vater zur Zeit des Erlöschens seines Erziehungsrechts angehört hat; hat jedoch der Vater mit der Absicht, dadurch über das Bekenntnis, des Kindes zu entscheiden, das Kind in einem anderen Bekenntniß erzogen, oder hat er, sofern das Kind noch nicht in einem bestimmten Bekenntniß erzogen war, sämmtliche übrigen Kinder derselben Ehe in einem anderen Bekenntniß erzogen, so ist das Kind in dem anderen Bekenntnisse zu erziehen.
Einer Erziehungshandlung im Sinne des Abs. 2 Halbsatz 2 steht es gleich, wenn der Vater das Kind in eine Religionsgemeinschaft förmlich hat aufnehmen lassen.
Artikel 110.
Ergiebt sich aus den Vorschriften des Artikel 109 nicht, in welchem Bekenntnisse das Kind zu erziehen ist, so entscheidet derjenige über das Bekenntniß des Kindes, welchem das Erziehungsrecht zusteht. Steht hiernach der Mutter die Entscheidung zu, so finden die Vorschriften der Artikel 108, 109 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass an die Stelle des Vaters die Mutter tritt.
Steht das Erziehungsrecht neben der Mutter einem für das Kind bestellten Vormund oder Pfleger zu, so geht bei einer Meinungsverschiedenheit über das Bekenntnis, in welchem das Kind erzogen werden soll, die Meinung der Mutter vor.
Steht nach Abs. 1 die Entscheidung einem Vormunde zu, so bedarf dieselbe der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.
Artikel 111.
Zur Aenderung eines aus dem Artikel 109 sich ergebenden Bekenntnisses ist ein Vormund, auf welchen das Erziehungsrecht übergegangen ist, nicht berechtigt.