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Großherzoglich Hessisches Ministerium des Innern : Großherzoglich Hessische AusführungsVO zur GewO

zum Nachteil des minderjährigen Arbeiters gereichen würde. An „sonstige Angehörige“ des Arbeiters soll das Arbeitsbuch in der Regel nur dann ausgehändigt werden, wenn der Aushändigung an die zur gesetzlichen Vertretung nicht berechtigte Mutter Gründe der vorbezeichneten Art oder andere triftige Gründe entgegenstehen. An den Arbeiter selbst ist die Aushändigung des Arbeitsbuchs nur zu genehmigen wenn auch gegen die Angehörigen Bedenken der erwähnten Art vorliegen. Unter „Angehörigen“ sind solche Verwandte oder Hausgenossen des minderjährigen Arbeiters zu verstehen, die an Stelle des gesetzlichen Vertreters tatsächlich die Pflege und Fürsorge für ihn ausüben.

§ 186.

Arbeitszeugnisse (§ 113 G.O.).Ein Zeugnis über die Art und Dauer der Beschäftigung sowie über Führung und Leistungen kann sowohl der minderjährige Arbeiter selbst als auch sein gesetzlicher Vertreter verlangen. Das Arbeitszeugnis ist dem Arbeiter unmittelbar zu behändigen, und zwar auch dann, wenn er das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sofern nicht der gesetzliche Vertreter verlangt, daß die Aushändigung an ihn geschehe. Gegen den Willen des letzteren darf das Arbeitszeugnis an den minderjährigen Arbeiter nur dann ausgehändigt werden, wenn die Bürgermeisterei als zuständige Gemeindebehörde die Erlaubnis hierzu erteilt hat. Diese Genehmigung darf sie nur dann geben, wenn die Aushändigung an den gesetzlichen Vertreter wegen mangelnder geistiger oder sittlicher Qualifikation des letzteren oder aus anderen Gründen zum offenbaren Nachteil des Arbeiters gereichen würde.

§ 187.

Beglaubigung der Eintragungen in den Arbeitsbüchern.Auf Verlangen des Arbeiters hat die Ortspolizeibehörde die Eintragungen im Arbeitsbuche sowie etwaige Arbeitszeugnisse kosten- und stempelfrei zu beglaubigen. Die Beglaubigung erstreckt sich nur auf die Unterschrift des Arbeitgebers und darf ausgestellt werden, wenn die Richtigkeit dieser Unterschrift feststeht. Außerdem kann die Beglaubigung nur dann verweigert werden, wenn der Behörde bekannt ist, daß die Einträge zweifellos unrichtig sind.

§ 188.

Lohnbücher (§ 114a. G.O.).Die Führung von Lohnbüchern ist bis jetzt von dem Bundesrat für die Betriebe der Kleider- und Wäschekonfektion vorgeschrieben. (Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 9. Dezember 1902, R.-G.-Bl. S. 295).

§ 189.

Lohnzahlung (§ 115a G.O.).„Untere Verwaltungsbehörde“ im Sinne des § 115a G.O. ist das Kreisamt. Lohn- und Abschlagszahlungen in Gast- und Schankwirtschaften oder Verkaufsstellen sind nur auf Antrag des Arbeitgebers und nur in Fällen dringenden Bedürfnisses zu genehmigen. Ein solches ist in der Regel nur anzunehmen für kleinere, nicht ständige Betriebe, wenn eine zur Vornahme der Lohnzahlungen geeignete Räumlichkeit auf der Betriebsstätte oder in deren Nähe nicht vorhanden ist, und ohne unverhältnismäßige Kosten nicht beschafft werden kann. Auch ist die Genehmigung an die Bedingung zu knüpfen, daß die ausgelöhnten Arbeiter nicht zur Entnahme von Speisen und Getränken oder Waren verleitet werden.
Die Erlaubnis ist schriftlich und unter dem ausdrücklichen Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs zu erteilen. Für größere Bauten und ständige Betriebe ist die Erlaubnis zu versagen.