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und singt dann die Namen Yung-kyum-pyung, Eggie-Law und Margret-Powell-Alone laut vor den Ohren des Königs, so daß dieser vor Ärger stirbt. Likanga, der seine Frauen verhungern läßt, tötet sich, als ihn eine mit Namen ruft (Junod, Ba-ronga p. 309). In der Novelle von Turandot (1001 Tag. Chauvin, Bibliographie arabe 5, 192. Oben S. 199) hat Kalaf alle ihre Rätsel gelöst, will sich aber doch seines Rechts wieder begeben, wenn sie seinen Namen erraten könne. Eine ihrer Jungfrauen geht listig zu ihm und erzählt von der grausamen Unmenschlichkeit der Turandot, die ihn wolle ermorden lassen, weil sie sein Rätsel nicht raten könne. Da ruft er unvorsichtig aus: ‘O unglückseliger Sohn des Timurtas, o beklagenswerter Kalaf!’ So erfährt Turandot seinen Namen. In einer kirgisischen Erzählung (Radloff 3, 374) muß die Jungfrau dem Werwolf folgen, der ihren Namen erraten hat.

Manchmal verlangt der Kobold, daß nicht sein Name, sondern sein Alter erraten werde. So in einer lothringischen Erzählung bei Cosquin 1, 271, wo der Bauer in einem hohlen Baume wie ein Kuckuck schreit und der Teufel erstaunt ruft: ‘Hunderttausend Jahre bin ich alt, und nie hörte ich den Kuckuck zu dieser Jahreszeit’. In einem übereinstimmenden mährischen Schwanke bei Václavek 2, 60 sind es 7 ✕ 777 Jahre; in einem Märchen von der Insel Mauritius bei Baissac nr. 18 verkleidet sich der listige Mann als Tiger. Mit der bekannten Geschichte von den drei Lehren ist das Motiv in einem Negermärchen aus dem Sudan bei Monteil S. 148 verknüpft: ein Mann wettet mit dem Könige, daß dieser nicht die Namen seiner drei Haarschopfe angeben könne; seine Frau verrät aber, daß sie in drei Weisheitssprüchen bestehen.

Eine Entstellung des Ursprünglichen ist es, wenn in Pröhles Harzsagen S. 193 (= Grässe, Sagenbuch des preuß. Staates 1, 573 = Am Urquell 5, 248) ein Zwerg die Verse, in denen er seinen Namen Fidlefitchen offenbart, einer Edelfrau als Rätsel aufgibt und dann ihr Kind stiehlt, oder wenn in der oberpfälzischen Sage bei Schönwerth 2, 353 ein grüner Zwerg die Anrede mit dem Namen Spitzbärtl durch ein ‘Rätsel’ nahe legt und geradezu als seine Erlösung erfleht.

Über unser Märchen hat E. Clodd im Folklore-Journal 7, 135 und darauf in einem besonderen Buche ‘Tom Tit Tot, an essay on savage philosophy in folk tale’ (London 1898) gehandelt und die ihm zugrunde liegenden Ideen, insbesondere den Namenaberglauben

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 497. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_497.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)