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den hübschen Vogel der Mutter zeigen, zog ihn aus dem Busen. Die Mutter fuhr ihm wieder über den Kamm, sagt, er sollte ihn fein auf der Hand getragen haben. Zum drittenmal kommt Jockel wieder zu der Jungfrau; sie fragt, wie es um den Habicht stände, er sagt ihr, wie es ihm damit gegangen war. Sie gedacht: ‘Er ist ein lebendiger Narr’, sah wohl, daß ihm nichts Säuberlichs noch Herrlichs gebührte, und schenkt ihm ein Egge, die er brauchen sollt, wenn er gesät hätte. Er nahm der Mutter Wort zu Herzen und trug sie auf den Händen empor wie ein anderer Löffel bis heim. Die Mutter war gar übel zufrieden, sprach, er sollt sie an ein Pferd gebunden haben und heim geschleift. Letzlich sah die Jungfrau, daß Chrisam und Tauf an ihm verloren war, denn es war weder Vernunft noch Weisheit in ihm, wußt nit, wie sie des Narren ledig werden sollt, gab ihm daher ein groß Stück Specks, und stieß es ihm in den Busen; er wars wohl zufrieden. Er wollt heim und fürcht, er würds im Busen verlieren, gedacht an der Mutter Reden, nahms aus dem Busen und bands seinem Roß an den Schwanz, saß darauf und ritt heim; da liefen die Hunde hinten nach und rissen den Speck dem Pferd vom Schwanz und fraßen ihn. Er kommt heim, der Speck war auch hinweg. Hintennach sah die Mutter ihres Sohns Weisheit, fürcht, die Heirat würd nit vor sich gehen, fuhr zu der Jungfrau Eltern, begehrt den Tag der Beredung zu wissen mit ihrem Sohn, und wie sie hinweg will, befiehlt sie ihm ernstlich, daß er wohl haushalt und kein groß Wesen mach, denn sie hab eine Gans über Eiern sitzen. Als nun die Mutter aus dem Haus war, so zeucht der Sohn fein in den Keller, sauft sich voller Weins und verliert den Zapfen zum Faß; wie er den sucht, so läuft der Wein aller in den Keller. Der gut Vetter nimmt einen Sack mit Mehl und schütt es in den Wein, daß es die Mutter nit sähe, wenn sie kommt. Demnach läuft er hinauf ins Haus und hat ein wilds Gebrächt; so sitzt die Gans da und brütelt, die erschrickt und schreit gaga, gaga! Den Narren kommt ein Furcht an und meint, die Gans hätt gesagt ‘Ich wills sagen’, und fürcht, sie schwätzt, wie er im Keller hausgehalten; nahm die Gans und hieb ihr den Kopf ab. Nun fürcht er, wo die Eier auch verdürben, so wär er in tausend Lästen, bedacht sich und wollt die Eier ausbrüten, meint doch, es würd sich nit wohl schicken, dieweil er nit voll Federn wäre wie die Gans. Bedacht sich bald, zeucht sich ganz aus und schmiert den Leib zuring mit Honig, den hatte die Mutter erst neulich gemacht,

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_313.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)