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Bei Pitrè 4, 214 nr. 283 ‘La parrastra’ = Crane p. 331 (C¹ D²˙³ F¹) wird der Bruder ein Kalb mit Goldhörnern, der Vater sucht die verlorenen Kinder und findet die Tochter verheiratet. Bei Corazzini p. 443 nr. 9 ‘U pecuriello’. (A C¹ D²˙³ F¹) aus Benevent. Aus den Abruzzen bei Finamore, Archivio 3, 546 nr. 18 ‘La favoletta dell’ agnelluccio’ (C D²˙³ F¹. Eingang wie Hänsel und Gretel). Bernoni nr. 2 ‘El pescecan’ (C D³ F¹). Visentini nr. 16 ‘La fanciulla e il vitellino’ (C¹ D²˙³ F¹. Anlaß zur Flucht ist, daß der erblindete König die Augen mit dem Blute der eigenen Tochter bestreichen soll). De Gubernatis, St. Stefano nr. 11 ‘Il pesce e l’agnellino’ (C D²˙³ F¹); vgl. Gubernatis, Die Tiere S. 335¹; Nino 3, 48 nr. 9 ‘La mala matrè’ (A C¹ D²˙³ F¹. Die Kinder töten ihre Mutter auf den Rat der Lehrerin und bitten den Vater, diese zu heiraten)[1]. Rivista delle tradiz. pop. 1, 675 ‘La crudel matrigna’ (C¹ D²˙³ F¹) und 2, 22 ‘Il principino capretto’ (C¹ D³ F¹. Keine Stiefmutter). Bei Busk p. 40 ‘The king who goes out to dinner’ (A D²˙³ F¹) ist der Bruder nicht verwandelt, sondern Vizekönig, soll aber zur Genesung der falschen Königin getötet werden. Eine ähnliche Entstellung liegt auch in Basiles ‘Nennillo und Nennella’ (Pent. 5, 8) vor; die Geschwister werden auf Betreiben der Stiefmutter in den Wald geführt und trennen sich; Nennillo wird ein kunstreicher Messerschmied und steht am Ufer, als ein Fisch herbeischwimmt, der die Schwester verschlungen hat. Sie ruft ihn an[2] und wird vom Fisch ausgespieen; zum Schlusse die Bestrafung der in einem Fasse vom Berge herabgerollten Stiefmutter. Eine Vermischung mit dem Märchen von den zwölf Brüdern (nr. 9) zeigen mehrere toskanische Märchen im Archivio 1, 44 ‘I dodici fratelli’, ‘I sette fratelli’ usw. und bei Weber nr. 5 ‘I sette fratelli’. Nicht eine Stiefmutter verzaubert die mit ihrer Schwester im Waldhause lebenden Brüder in Lämmer oder Schweine, sondern die Frau des von ihnen getöteten Orco, indem sie ihnen Mützen aus seiner Haut schenkt. Dann folgen die Motive D²˙³ F¹; die Zauberin muß die Lämmer entzaubern und wird in einem Pechhemd verbrannt. –


  1. Die Tötung der eigenen Mutter auch bei Basile 1, 6 und bei Hahn nr. 103.
  2. Frate, mio frate,
    Li cortielle so ammolate,
    Le tauole apparecchiate
    Ed a me la vita ’ncresce,
    Senza te dintro a sto pesce.

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_088.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)