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ihm zur Antwort: „ich bin eine von Deinen Vorfahren und mein Gemahl ist eben der gewesen, der Du bist, nämlich Herzog Johann Casimir von Sachsen-Coburg, wir sind aber schon vor 100 Jahren verstorben.“ Als der Herzog weiter nachforschte, was sie bei ihm zu suchen hätte, sagte sie: „ich habe eine Bitte an Dich, nämlich mich und meinen Gemahl, weil wir uns vor unserem Ende, wegen einer gehabten Zwistigkeit nicht aussöhnten, gleichwohl aber auf das Verdienst Christi gestorben sind, zu dieser von Gott bestimmten Zeit mit einander zu versöhnen. Ich befinde mich zwar wirklich in der Seligkeit, aber ich genieße noch nicht das völlige Anschauen Gottes, sondern bin zeither in einer stillen und angenehmen Ruhe gewesen; mein Gemahl aber, welcher sich bei meinem Tode nicht mit mir versöhnen wollte, es aber hernach bereuet und im wahren, obwohl schwachen Glauben an Jesum Christum die Welt verlassen, hat bis jetzt in Zeit und Ewigkeit, Finsterniß und Kälte, jedoch nicht ohne Hoffnung zur Seligkeit zu gelangen, sich befunden.“ Als der Herzog ihr deswegen üble Einwürfe machte, widerlegte sie ihm dieselben, daß sie nicht hierher gehörten und sie nicht angingen; ferner erzählte sie, daß, sobald der Herzog in die Ewigkeit gekommen, er wohl erkannt habe, daß einer von ihren Nachkommen sie versöhnen würde, und er sich sehr gefreut habe, da er ihn, den Herzog, als ein Werkzeug Gottes hierzu erkannt habe. Endlich gab sie dem Herzog acht Tage Bedenkzeit, nach deren Verlauf wollte sie wiederkommen und seine Erklärung abwarten. Hierauf verschwand sie.

Der Herzog lebte mit dem damaligen Superintendent Hofkunzen zu Torgau in besonderer Vertraulichkeit, er schrieb ihm gar öfter in geistlichen und weltlichen Sachen durch eigene Staffetten. An diesen wendete er sich sogleich, schrieb ihm den ganzen Verlauf und bat um sein Gutachten, ob er den Antrag des Geistes annehmen sollte. Dem Superintendent kam die Sache anfangs sehr verdächtig vor und er war geneigt, sie für einen Traum zu halten, nachdem er aber die besondere Frömmigkeit des Fürsten, dessen große Erkenntniß

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Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen. Band 1. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Graesse_Sagenschatz_Sachsens_I_029.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)