Gottfried August Bürger: Gedichte | |
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solte sie doch verstehen. Alle Sprachen haben das an sich, daß man oft nicht den Sin aus einzelnen Wörtern, sondern dem ganzen Zusammenhange aufgreifen mus. Schreibt man ferner einem solchen Pfalbürger Rat für Rath, so ist es lustig, seine Maulgrimassen zu sehen, wenn er behauptet, daß man das Wort, ohne h, nicht anders, als Ratt aussprechen könne. Dennoch schreibt der Gek selber, er trat er bat, ohne h, und spricht nicht, er tratt, er batt aus. Schreibe ich ihm wiederum für matt, mat, so grimassirt er von neuem, und spricht maat aus, wiewol er hat habet ganz richtig auszusprechen weis. – Lieben Brüder, wenn ihr eure Sprache lieb habt, so tretet dem Schlendrian auf den Kopf und richtet euch nach den Regeln der Vernunft und einfachen Schönheit! Nach welcher sich schon gröstentheils die Minnesinger richteten, ehe die nachfolgenden plumpern Jahrhunderte die Sprache mit
Gottfried August Bürger: Gedichte. Johann Christian Dieterich, Göttingen 1778, Seite XIX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gottfried_August_B%C3%BCrger_Gedichte_1778.pdf/50&oldid=- (Version vom 1.8.2018)