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Nacht wie sonst geschlafen, wie man euch verleumderisch eine Untat unterschieben wollte, so wäret ihr verloren gewesen. Aber Gott, der euer Hüter ist, der hat gemacht, daß ich nicht hab schlafen können und habe sehen müssen, daß man das Kind in eines Juden Haus geworfen hat. Wenn ich das nicht gesehen hätte, so wären alle Juden ums Leben gekommen.«

Also hat auch dem Lipmann seine Frau nicht schlafen können und hat sich alle Morgen an das Fenster gestellt, denn sie hat gewohnt auf dem älteren Steinweg, das ist eine Passage, die ein jeder, der nach Altona hinaus oder hereingehen will, vorbeigehen muß. Es ist Freitag zu Nacht gewesen, da hat die Frau gar nicht schlafen können und hat alles im Haus verrückt gemacht. Der Mann hat mit ihr gezankt, was das für ein Leben ist, sie werde sich noch ganz verrückt machen. Aber sie hat gesagt, es kann nichts helfen; so lange keine Rache geschehe, könnt sie sich nicht zufriedengeben, denn sie wüßte gewiß, und ihr Herz sage ihr nichts anders, daß der Mensch der Mörder sein müßte.

Also ist es Tag geworden und sie ist wieder am Fenster gestanden und hat auf die Gasse herausgesehen. Da hat sie den Menschen mit seiner Frau gehen sehn und ein Knecht ist mit ihnen gegangen und hat eine große Kiste vor sich gehabt. Wie sie das sieht, fängt die Frau an zu schreien: »O Gott, sei bei mir, jetzunder hoffe ich, soll ein Anfang zu meinem Vergnügen sein.« Und läuft gleich und rafft ihren Schurz und Regenkleid zusammen und läuft aus der Wohnung herunter. Der Mann springt ihr aus dem Bett nach und will sie halten, daß sie nicht weglaufen soll. Hat aber alles nicht helfen wollen, sie ist den Menschen nachgelaufen, welche nach Altona an die Elbe gegangen sind und die Kiste bei dem Wasser niedergestellt haben. Die Rebekka, so heißt die Frau, hat sich nichts anderes eingebildet, als daß der Mensch den Ermordeten da in der Kiste hätte. Sie ist zu den Leuten in Altona gelaufen und hat sie um Gottes willen gebeten, man soll ihr helfen, denn sie wüßte gewiß, daß sie den Mörder da hätte. Aber die Leute haben

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_224.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)