Seite:Geschichte des Dt Buchhandels 1 07.djvu/030

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ließen, einerlei, wo und ob sie dereinst landeten, und endlich catilinarische Existenzen, welche das Leben für kaum mehr als einen schlechten Witz nahmen, oder durch alle denkbaren Hindernisse möglichst glatt hindurchzugleiten wußten. Besonders gefährlich aber wurden solche von Haß gegen das Bestehende beseelte Buchführer durch die zielbewußte Auswahl der von ihnen vertriebenen Schriften. Unermeßlich war daher der von ihnen auf die Gemüter ausgeübte Einfluß. Wo während der Reformationszeit „etwas los war“, da tauchten auch die Buchführer wie die Sturmvögel auf und wieder unter. Der Kampf und die Revolution waren das Element, in welchem sie sich am wohlsten fühlten. Man hört nur ausnahmsweise von katholischen Flugblättern, welche von Buchführern vertrieben wurden, meistens nur von Verbreitern Lutherscher oder lutherisierender Schriften. Wo nur einer dieser Leute genannt wird, da gehört er zur revolutionären Partei, und in der That gibt es kaum einen Sitz der Bewegung, wo man ihrer nicht einen oder mehrere findet. So tritt z. B. in Rothenburg a. d. Tauber 1524 ein Buchführer und Buchdrucker Kunz Kern auf, der nach dem Siege über die Bauern mit 40 Gulden gestraft und aus der Stadt verwiesen wird. Ein anderer Aufrührer, auch Buchführer, Bernhard Schmidt, teilt dasselbe Schicksal mit ihm und darf als „ausgetretener“ (entflohener) Bürger nicht wiederkommen.[1] Auch in den spätern Wiedertäufer-Unruhen im Norden Deutschlands schüren die Buchführer das Feuer und drängen das Volk zur That, so z. B. 1533 und 1534 in Westfalen ein Peter aus Lippstadt, welcher als Buchführer durch das Land zog und den Massen die wiedertäuferischen Lehren verkündigte.

In ihrem Geschäftsbetrieb knüpften diese hausierenden Buchführer ganz an die Gewohnheiten der alten Handschriftenhändler und ersten Buchführer an. Auf Märkten und vor den Kirchen, in Schenken – hier selbst, wie in Breslau geklagt wird, ihre Ware ausspielend – und auf offener Landstraße, in Universitätsstädten an den Thüren der Kollegien und Bursen suchten sie ihre Käufer. Dabei hatten sie wieder ihre Gehilfen, Jungen und Frauen, welche mit den Flugschriften in die Häuser liefen oder sie auch, mit unverdächtigen Büchern zusammengeheftet, in den Gassen verkauften. Gustav Freytag hat in seinem „Markus König“ ein recht anschauliches Bild dieses Hausierhandels gegeben, welches den Charakter des Geschäfts treu widerspiegelt.


Fußnoten

  1. Baumann, F. L., Akten zur Geschichte des Bauernkrieges in Oberschwaben. Freiburg 1877. S. 58. 144. 541. 616.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_07.djvu/030&oldid=- (Version vom 1.8.2018)