Seite:Geheimnisvolle Schiffskatastrophen.pdf/12

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Walther Kabel: Geheimnisvolle Schiffskatastrophen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 4)

fast den Eindruck eines Wahnsinnigen, und eigentlich hätte er keine fünf Minuten länger das Kommando führen dürfen. Als der Steuermann einmal am Ruder stand, gesellte sich der Kapitän zu ihm und fing an wie ein kleines Kind zu weinen. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, daß ihm und seiner Familie, uns allen und dem Schiff das schwerste Unheil bevorstand. Zum Glück besaßen wir in dem Steuermann einen zuverlässigen Führer, der mit der Navigation vollkommen Bescheid wußte. Wir befanden uns jetzt nördlich von Madeira, und nach einer ruhigen Nacht, in der ich einen wundervollen Sternschnuppenfall beobachtete, kamen wir wieder in glatte See und schönes, warmes Wetter hinein.

Zwei Tage später ereignete sich das Unglück. Ich stieg gegen acht Uhr morgens an Deck, gerade zur Zeit, als im Volkslogis das Frühstück aufgetragen wurde. Da hörte ich den Kapitän mit dem Steuermann zanken. Dieser suchte ihn zu beruhigen, aber der Kapitän redete sich immer mehr in Zorn hinein und versteifte sich dabei, offenbar im Anschluß an ein vorher geführtes Gespräch, auf die Behauptung, daß ein tüchtiger Seemann auch in voller Kleidung längere Zeit schwimmen könnte. Obwohl der Steuermann vorsichtigerweise nicht widersprach, tat der immer wilder werdende Kapitän, als ob man ihm den größten Widerspruch entgegensetzte, und erbot sich schließlich, sofort den Beweis zu liefern, daß er mit allen Sachen in fünf Minuten um das Schiff herumschwimmen würde.

Seine laute, gereizte Stimme lockte auch das Kind und die Frau an Deck. Diese beschwor ihn flehentlich, von seinem Vorhaben abzustehen. Aber gerade der Widerstand bestärkte den kranken Mann nur ich seinem

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Geheimnisvolle Schiffskatastrophen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 4). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1916, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geheimnisvolle_Schiffskatastrophen.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)