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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7

zweifellos möglich gewesen, mehr zu seiner Entlastung anzuführen. Übrigens ist es doch nicht wunderbar, daß ein Mann von dem Bildungsgrade des Angeklagten alles in Abrede zu stellen sucht, wodurch er befürchtet, sich verdächtig zu machen. Ich will die Glaubwürdigkeit des Zeugen Hoffmann nicht anfechten, allein erinnern muß ich Sie doch daran, daß Hoffmann mit dem Angeklagten arg verfeindet war. Einer Veränderung im Gesichtsausdruck können doch im übrigen die verschiedensten Ursachen zugrunde liegen. Vielleicht hat sich der Angeklagte aufgeregt, weil er so sehnlichst die Entdeckung des Mörders herbeiwünschte. Daß dem Angeklagten eine solche Tat zuzutrauen war, will ich ja gar nicht in Abrede stellen, allein alle uns in dieser Beziehung gemachten Bekundungen sprechen doch noch nicht für seine Schuld. Ich erinnere Sie, daß Hermann Josephsohn sogar einer Frau, der er unsittliche Anträge stellte, zumutete, ihren Mann umzubringen, oder sich selbst zu dieser Tat bereit erklärte. Bedenken Sie, wenn nun Josephsohn anstatt Behrendt hier auf der Anklagebank säße, würde dieses Moment nicht in hohem Maße für seine Schuld angeführt werden? Mit dieser Handlung ist doch aber noch keineswegs bewiesen, daß der Betreffende auch das vorliegende Verbrechen begangen hat. Obwohl es zunächst Sache der Staatsanwaltschaft ist, einem Angeklagten das Verbrechen nachzuweisen, obwohl dies nicht geschehen ist, so hat der Angeklagte eine ganze Kette von Alibibeweisen erbracht. Er hat den Nachweis geführt, daß er am Abende des 21. Januar 1884 gegen 9 Uhr bereits zu Hause und am folgenden Morgen gegen 7 Uhr bei Blumenheim gewesen ist. Wenn er nach 6 in der Tat von Mankowski getroffen worden ist, dann war er nicht in der Lage, schon um 7 Uhr bei Blumenheim zu sein, denn er muß erst einige Zeit nach der Begegnung mit Mankowski am Fundorte der Leiche angelangt sein und konnte mithin bis 7 Uhr nicht den Weg bis zu Blumenheim zurücklegen. Im weiteren ist es nicht denkbar, weshalb der Angeklagte sich

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 7. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_7_(1912).djvu/125&oldid=- (Version vom 10.4.2023)