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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

mit größter Ruhe sagte: „Herr Kommissar, ich wollte in den nächsten Tagen auf alle Fälle zu Ihnen aufs Präsidium kommen.“ Das tut kein Mensch, dessen Leben fleckenlos ist. Der Angeklagte galt auch in Berliner Verbrecherkreisen als internationaler reisender Einbrecher. Charakteristisch ist auch, daß der Angeklagte mit seinem Komplicen Nitter in der belebtesten Straße Magdeburgs Sonntags nachmittags in eine Apotheke einbrach. Das ist das Charakteristische der Sonntagsdiebe, sie wählen sich die belebtesten Gegenden zur Ausführung ihrer Verbrechen, weil sie wissen, daß sie in solchen Gegenden am leichtesten unter der Menge verschwinden können. Der Angeklagte hatte sich auch in dieser Beziehung nicht verrechnet. Es ist jedenfalls ein Beweis von großer Umsicht, daß Herrn Kriminalkommissar Klinghammer schon vor langer Zeit das Treiben des Knitelius derartig verdächtig erschien, daß er[WS 1] es für nötig erachtete, Knitelius eines Abends im „Café Westminster“ in Berlin zu verhaften, um ihn dem Erkennungsdienst zuzuführen. Der Umsicht Klinghammers ist es zu danken, daß nach Bekanntwerden des Mordes in Berlin sofort festgestellt werden konnte: Knitelius und kein anderer ist der Täter. – Der Staatsanwalt erläuterte alsdann in eingehender Weise die Schuldfrage vom juristischen Standpunkt und gelangte zu dem Antrag, daß ein Mord vorliegt. Der Angeklagte ist zweifellos in die Hirsch-Apotheke eingedrungen, so fuhr der Staatsanwalt fort, in der Absicht, sobald sich ein Mensch ihm entgegenstellen sollte, ihn niederzuschießen. Danach liegt Mord im Sinne des § 211 des Strafgesetzbuchs vor. Ich will hierbei bemerken: In Magdeburg ist die Ansicht verbreitet, wenn der Angeklagte nicht des Mordes für schuldig erachtet wird, dann kann er nicht bestraft werden, da er nur wegen Verdachts des Mordes ausgeliefert worden ist. Das ist ein Irrtum. Nach den Bestimmungen des Auslieferungsvertrags mit Brasilien kann auch der Angeklagte mit einer geringern Strafe bestraft

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: er er
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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/70&oldid=- (Version vom 10.12.2022)