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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

des Oberarztes Dr. Forster – ein großer Optimist, der sich einbilden mochte, über kurz oder lang zu Gelde zu kommen, und er war ferner ein Mann, der wenig fähig war, sich im Leben zu halten. Es muß aber betont werden, daß das Gericht die Behauptung des einen Verteidigers: das Verhalten des Vaters sei eine Schändung des Blutes, aufs höchste gemißbilligt hat und der Meinung ist, daß von einer Berechtigung dieses Ausdrucks in keiner Weise die Rede sein kann. Aber anderseits muß zugegeben werden, daß der Angeklagte von der Familie hart angefaßt wurde. Er war dadurch, daß er nichts Rechtes konnte, nichts wußte, nicht arbeitsfähig, aber auch nicht arbeitswillig war, in eine sehr üble Lage versetzt, wenn auch nicht zu billigen ist, daß er sich in solcher Lage nicht auf das alleräußerste beschränkte, und nicht versuchte, sich eine Existenz zu schaffen. Der Sachverständige hat mit Recht gesagt, der Angeklagte sei das Produkt seiner Erziehung und teilweise der Verhältnisse. Es soll ihm auch im weitesten Maße angerechnet werden, daß er bei seinem Optimismus meinte, darauf rechnen zu dürfen, er werde später einmal in die Lage kommen, zu zahlen. Die spätere Erfüllung der Verpflichtungen kann ja den Tatbestand des Betruges an sich nicht beseitigen, aber dazu beitragen, die Verfehlung milder zu beurteilen. – Schließlich war zu erwägen, daß der Angeklagte in der Tat bemüht gewesen ist, den Schaden wieder gutzumachen, und mit Hilfe seiner Frau, die ihm ja in uneigennützigster Weise zur Seite gestanden, versucht hat, den Schaden zu beseitigen, und daß ihm dies auch wohl gelungen wäre, wenn er nicht verhaftet worden wäre. Trotz der sehr erheblichen Objekte, und obgleich das ganze Verhalten des Angeklagten sehr leichtfertig und verwerflich war, hat der Gerichtshof sehr milde Strafen eingesetzt, und zwar: für den Fall Gustke drei Monate, für den Fall Horch fünf Monate, für den Fall Risch vier Monate. Der Gerichtshof hat diese Einzelstrafen auf neun Monate Gefängnis zusammengezogen.

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/280&oldid=- (Version vom 4.1.2023)