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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Monat zu verzehren hat. Das ist das Bild, das wir von dem Leben des Angeklagten notwendig gewinnen mußten. Er weist darauf hin, um sein bescheidenes Leben darzutun, daß er eine Wohnung für nur 30 Mark und eine Pension von 90 Mark monatlich gehabt hätte. Das hat aber wohl daran gelegen, daß es selten Pensionsmütter geben wird, wie Fräulein Uhrmann, die den Angeklagten nahm, obwohl er ihr sagte: „An Geld ist vorläufig nicht zu denken, vorläufig muß ich alles auf Borg nehmen,“ und die ihm dann noch einmal 1000 Mark und dann 800 Mark zur Verfügung gestellt hat, ohne daß bestimmte Aussichten auf Rückerstattung vorhanden waren. Daß sonst das Leben des Angeklagten nicht so einfach war, sehen wir auch daraus, daß er ständiger Gast im Hotel Esplanade war, von dem wir wissen, daß es kein billiges Lokal ist. Zu diesem Leben gehörte Geld, Geld und immer wieder Geld. Wir sehen, zu wie wenig skrupellosen Mitteln der Angeklagte zum Schluß gegriffen hat, um sich Geld zu verschaffen. Mit schlimmen und berüchtigten Geldagenten ist er vielfach zusammengekommen, um Darlehen von kleinen und höheren Summen zu erhalten. Mit Leuten, die ihm ziemlich unbekannt waren, wie Hagenow, Schlesinger hat er Wechsel auf hohe Summen geschrieben, ohne sich viel darum zu kümmern, was aus den Wechseln wurde. Wir sehen, daß er ohne irgendwelche weitere Erkundigungen über die Sicherheit der Geldmänner, sogar gegen ein Darlehn von 2000 Mark 50 000 Mark Geschäftsanteile einer Teppichfabrik übernahm, daß er sich Lexika, Klassikerausgaben bestellte, von denen er nie Gebrauch machen wollte, nur um sich in irgendeiner Weise Geld zu schaffen. Das ist das, was der Angeklagte getan hat. Nun fragen wir, welche Aussichten hatte er, die von ihm gemachten Schulden je bezahlen zu können? Konnte er überhaupt darauf rechnen, sie in absehbarer Zeit zu bezahlen? Da hat er angeführt, daß ihm eine Aussöhnung mit seiner Familie in Aussicht gestanden hätte, er sei sogar

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/274&oldid=- (Version vom 2.1.2023)