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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

bin fürwahr durch das alles genug bestraft worden. Lassen Sie auch Ihr Herz dabei mitsprechen. Ich bitte nochmals um meine Freisprechung. – Nach mehrstündiger Beratung des Gerichtshofs verkündete der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Crüger folgendes Urteil: Um zu einer Beurteilung der Frage zu kommen: hat sich der Angeklagte des Betrugs in einer Reihe von Fällen schuldig gemacht oder nicht? müssen wir prüfen, was ist in dieser Verhandlung an objektiven Tatsachen erwiesen, und was ist erwiesen über den Charakter, die Lebensanschauungen des Angeklagten und ferner, wie läßt sich dann dieses alles unter die Paragraphen des Strafgesetzes subsummieren? Da müssen wir beginnen mit der Frage nach der Lebensanschauung, der Lebensstellung und der gesellschaftlichen Stellung des Angeklagten. Wir haben gehört, daß der Angeklagte, eigentlich von Anfang seines Lebens an, seinem Vater Sorge und Kummer bereitet hat. Auf den verschiedenen Gymnasien, auf denen er gewesen ist, hat er schon – natürlich in kleinerem Umfange – Schulden gemacht. Er mußte auch öfter die Schulen wechseln, weil er nicht recht vorwärts kam. Dann sind die Differenzen größer geworden, der Angeklagte hat einen Selbstmordversuch unternommen; sein Vater hielt es für notwendig, ihn zunächst einmal nach Amerika zu schicken, hier hielt er es nur kurze Zeit aus und kam wieder zurück. Da sich aber auch nach der Rückkehr ein einigermaßen angenehmes häusliches Verhältnis mit dem Angeklagten nicht herstellen ließ, hielt es der Vater für angemessen, ihn wieder nach Amerika zu schicken, und gab ihm dieses Mal eine größere Summe, etwa 4000 Mark mit, die die Grundlage für eine Existenz bilden sollten. Auch in diesem Falle ist es dem Angeklagten nicht geglückt, sich zu halten. Nach kurzer Zeit hatte er das ganze Geld verbracht und kam wieder nach Hause. Nun wies ihm sein Vater direkt die Tür. Er ließ sich bereitfinden, dem Angeklagten noch monatlich 30 Mark zu geben. Aber der Angeklagte und auch

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/272&oldid=- (Version vom 2.1.2023)