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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

somit möglicherweise einen Fehlschlag getan habe, b) obwohl der Angeklagte von der Staatsanwaltschaft wegen derselben Beschuldigungen bereits früher außer Verfolgung gesetzt war, c) obwohl ferner keinerlei neue Anzeigen vorlagen, sondern vielmehr der Untersuchungsrichter sämtliche Zivilprozeßakten gegen den Angeklagten erst benutzen mußte, um ein Betrugsverfahren zu erzielen. Der Angeklagte fühle sich weiter benachteiligt, weil der Oberstaatsanwalt, wie vermutet werde, mit Rücksicht auf die Auffassung des Justizministers, nicht nur dem von der Verteidigung als Zeugen geladenen Staatsanwaltschaftsrat Dr. Schwickerath verboten habe, über seine Eindrücke und Entschließungen bei der Bearbeitung eines von Frau Wolff Wertheim veranlaßten Strafverfahrens auszusagen, obwohl nach § 532 StrPO. die Genehmigung hierzu nur versagt werden dürfe, wenn die Ablegung des Zeugnisses dem Wohle des Reichs oder eines Bundesstaates Nachteile bereiten würde, d) Weil der Herr Oberstaatsanwalt sogar dem Herrn Landgerichtspräsidenten, der bereits dem ebenfalls von der Verteidigung als Zeugen benannten Landrichter Dr. Katz die generelle Genehmigung zur Aussage gegeben hatte, nahegelegt habe, diese Genehmigung wieder zurückzuziehen. Alle diese Umstände hätten in dem Angeklagten, der schon in der vorigen Verhandlung eine Voreingenommenheit: seiner Richter wahrzunehmen glaubte, die Annahme hervorgerufen, daß man an höherer Stelle eine Freisprechung besonders unangenehm empfinden würde, weil sie zum Ausdruck brächte, daß man einen Neffen des deutschen Botschafters in London auf unzureichenden Verdacht hin vom Auslande habe ausliefern lassen und über neun Monate in Untersuchungshaft gehalten habe. – Der Angeklagte meine, daß ebenso wie dem Untersuchungsrichter und vermutlich auch der Staatsanwaltschaft, auch dem Herrn Vorsitzenden eine Auffassung des Justizministers über die Behandlung der Beweisaufnahme mitgeteilt sei, und

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/152&oldid=- (Version vom 9.1.2024)