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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

Tarnowska bejahen, sowie auch bezüglich der anderen Angeklagten annehmen müssen, daß sie das Verbrechen in voller geistiger Klarheit und mit Vorbedacht begangen haben. Nur von Naumow könnte man sagen, daß er das Verbrechen nicht begangen, wenn ihn die Tarnowska nicht dazu getrieben hätte. Man hat um die Tarnowska eine Legende gesponnen, man hat gesagt, sie bezaubere alle; aber wir haben sie jetzt hier über einen Monat vor uns, und sie hat niemand von uns bezaubert, sondern nur Ekel eingeflößt. Sie ist eine Hochstaplerin, voll von Lastern und ohne Skrupeln. Dr. Feder kam sodann auf die Perier zu sprechen und sagte: Die Perier ist uns während der Verhandlung wie eine Schlange aus den Händen geglitten. Aber sie war es, welche die Geliebten der Tarnowska zuführte, sie war die Zuhälterin der Tarnowska. – Staatsanwalt Randi beantragte das Schuldig gegen alle vier Angeklagte. Es sind drei Barbaren in europäischer Kleidung, die Elisa Perier die Schmach der menschlichen Gattung. Nicht Laparotomie habe Komarowski ins Jenseits befördert, sondern die acht von Naumow erhaltenen Wunden. In drei Perioden zerfalle das Leben der Tarnowska: die erste gehe bis zum Tode des Borgewski, die zweite bis zum Tode der Gräfin Komarowski und die dritte bis zur Ermordung Komarowskis selbst. Drei Daten, drei Leichen! Wie könne man die Tarnowska als willensschwach bezeichnen, wo sie sich schon mit siebzehn Jahren gegen den Willen ihrer Eltern verheiratet habe! Der Staatsanwalt bezeichnete dann die Tarnowska als eine der Abenteuerinnen, wie man sie mit dem Ellbogen unter den Prokuratien anstoße, und wandte sich darauf scharf gegen Naumow. Dieser Jüngling habe Baudelaire übersetzt und sich literarisch betätigt, er sei sich also seiner Handlungen wohl bewußt gewesen. Er habe nicht in somnambulischem Zustand gehandelt und sei auch nicht hypnotisiert gewesen; er sei für seine Tat voll verantwortlich. Die Sachverständigen haben ihre Untersuchungen an einem durch den Kerker geschwächten Individuum

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/75&oldid=- (Version vom 5.1.2023)