Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 3 (1911).djvu/61

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

mütterlicherseits im Irrenhause leben. Alsdann wurde Kinderfräulein Mathilde Skopin aus Kiew vernommen: Sie sei Kinderfräulein bei der Gräfin Tarnowska gewesen. Diese sei eine vorbildliche Mutter gewesen und habe ihr Personal sehr gut behandelt, so daß sie sehr geliebt wurde. Die Tarnowska hielt auch nach dem Streit mit ihrem Mann ihre Kinder an, für ihn zu beten. Auch diese Zeugin hat nervöse Krisen bei der Tarnowska während der Schwangerschaft beobachtet. – Der Student Zolotariew, der Hauslehrer bei den Kindern der Tarnowska war, bestritt energisch, daß er ein Geliebter der Tarnowska gewesen sei. – Frau Orerowsky, eine entfernte Verwandte der Tarnowska, schilderte diese als eine gute und anhängliche, aber launenhafte Person. Manchmal habe sie viel Energie entfaltet, und dann sei sie wieder ganz willenlos gewesen. Auch diese Zeugin führte die neuropathische Anlage der Tarnowska auf ihre Abstammung zurück. – Eine englische Lehrerin, die gleichfalls im Hause der Tarnowska tätig war, bestätigte die Aussagen von Fräulein Skopin und sagte, es sei rührend gewesen, wie die Kinder jeden Morgen und jeden Abend das Bild ihres Vaters küßten. – Ingenieur Toburno bekundete als Zeuge: Als seinerzeit der Geliebte der Gräfin, Graf Borgewski von dem Grafen Tarnowski erschossen wurde, berichteten die Zeitungen, die Gräfin habe ihren Mann zu der Mordtat angestiftet, damit dieser nach Sibirien verschickt und sie dadurch von dem verhaßten Gatten befreit würde; die Gräfin sei damals von den Zeitungen als eine Courtisane geschildert worden. Später seien noch andere der Gräfin ungünstige Gerüchte im Umlauf gewesen, darunter die Behauptung, daß die Gattin des Grafen Komarowski von ihr vergiftet worden sei. – Es folgte die Aussage eines früheren Kammerdieners der Gräfin Tarnowska, Eulampio. Dieser schilderte die Gräfin als eine stets gütige Herrin und als ein Opfer der Schlechtigkeit ihres Gatten. Er wußte, daß sie Borgewski liebte. Von anderen Liebesverhältnissen

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/61&oldid=- (Version vom 5.1.2023)