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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

der Tarnowska ins Feuer und wollte nie mehr ihren Namen hören, er, der bis dahin tagtäglich mit Enthusiasmus von ihr gesprochen hatte. „Und denken zu müssen“, sagte weinend die alte Dame, „daß, während das Kind die Tarnowska umarmte und küßte, diese daran dachte, ihm den Vater zu töten!“ (Große, anhaltende Bewegung, Ausrufe der Entrüstung). Auf Befragen erklärte die Zeugin weiter: Es sei richtig, daß Naumow sich von ihrer Tochter 1500 Rubel geliehen habe, die er angeblich zur Tilgung einer Ehrenschuld benötigte; sie selbst habe dazu 1000 Rubel beigesteuert. Nachdem die Zeugin nochmals feierlichst wiederholt hatte, daß ihre feste Überzeugung und diejenige aller ihrer Familienmitglieder dahingehe, daß nur die Suggestion der Tarnowska Naumow zum Mörder gemacht habe, wurde sie entlassen. – Auf Antrag des Verteidigers, Rechtsanwalts Diena wurden einige im Bureau des Prilukow gefundenen Briefe verlesen, die die Tarnowska an Prilukow gerichtet hatte. Es hieß in den Briefen: Ihr Mann sei schwach und man könne durch suggestive Einwirkung ihn im Prozeß Borgewski aussagen und handeln lassen, wie man wolle. In einem anderen Briefe redete sie davon, daß sie von ihrer Mutter 20 000 Rubel verlangt habe, um ihre Schulden in den Geschäften zu bezahlen. Bekomme sie diese Summe nicht, so müsse sie ihre Gläubiger zusammenrufen lassen. An einer anderen Stelle erwähnte sie, daß Stahl gesagt habe, man müsse das schlechte Subjekt von ihrem Manne ertränken. Endlich fand sich in einem Briefe vom 28. Dezember 1904 ihre Liebeserklärung an Prilukow. Dieser letzte Befund bestätigte die von Prilukow in seinem Verhör gemachte Angabe. Der kommissarisch vernommene Gouverneur von Orel hatte bekundet: die Eltern Naumows haben geglaubt, ihr Sohn habe denselben Geist wie sein großer Verwandter Turgeniew. – Die kommissarisch vernommene Frau Prilukow hatte bekundet: Ihr Mann sei, ehe er die Tarnowska kennen lernte, ein guter Familienvater,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/59&oldid=- (Version vom 5.1.2023)