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des Reichsgerichts waren, daß ein Zeuge, der bereits entlassen, noch einmal vorgeladen und vernommen wurde, ohne ihn nochmals zu vereidigen. – Aus Anlaß des Beschlusses des Reichsgerichts gelangte die Angelegenheit am 20. April 1909 nochmals vor der vierten Strafkammer des Landgerichts Berlin I zur Verhandlung. Den Vorsitz des Gerichtshofes führte wiederum Landgerichtsdirektor Lehmann. Die Anklage vertrat Oberstaatsanwalt Dr. Preuß. Für den Nebenkläger Grafen Kuno von Moltke war Justizrat Dr. Sello erschienen. Die Verteidigung führte Justizrat Bernstein (München). Sofort nach Eröffnung der Sitzung überreichte der Verteidiger dem Gerichtshof folgende Schreiben: 1. Herr Harden wiederholt die in seiner Zeitschrift, vor dem Schöffengericht und vor dem Landgericht abgegebene Erklärung, daß er in seiner Wochenschrift Seine Exzellenz den Herrn Grafen Kuno Moltke nicht der Homosexualität beschuldigt hat. Seine Exzellenz Generalleutanant z. D. Graf Moltke akzeptiert diese Erklärung. Beide Herren sind der Überzeugung, daß sich nach diesen Erklärungen jede Beweisaufnahme erübrigt. Berlin, den 19. März 1909. Graf Kuno Moltke. Maximilian Harden. 2. In der Strafsache gegen Harden beehren sich die unterzeichneten Parteien die anliegende Erklärung in der Annahme zu überreichen, daß dadurch eine Unterlage für eine rasche und einfache Erledigung gegeben ist, gegen dessen Einstellung sie nichts einzuwenden haben. Berlin, den 22. März 1909. Graf Kuno Moltke. Maximilian Harden. – Justizrat Dr. Bernstein beantragte auf Grund dieser beiden Schreiben die Einstellung des Verfahrens. – Oberstaatsanwalt Dr. Preuß: So sympathisch mir der Vergleich an und für sich ist, so halte ich die Einstellung des Verfahrens aus prozessualen Gründen nicht für zulässig. Eine andere Frage ist ja, wie weit man auf die Vergleichsverhandlungen Rücksicht zu nehmen haben wird erstens bei der Beweisaufnahme und dann vor allen Dingen nachher bei Abmessung der Strafe; ich darf vielleicht auch hier gleich betonen,