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einer solchen ist also bei dem Grafen Moltke gar keine Rede. Der Angeklagte hat ihn vollständig zu Unrecht bezichtigt. Graf Moltke steht sittenrein da, kein Makel haftet ihm an und blank und fleckenlos steht sein Ehrenschild da. Harden, der diese Ehre durch üble Nachrede verunglimpft hat, ist nach § 186 zur Rechenschaft zu ziehen. Er hat sich aber auch nach § 185 schuldig gemacht. Zunächst dadurch, daß er den Nebenkläger als „Süßen“ bezeichnet hat, ferner dadurch, daß er mit Bezug auf die Liebenberger Tafelrunde sagte, „sie haben’s schon warm genug.“ Dadurch hat er auf die Homosexualität der Mitglieder der Tafelrunde hingewiesen und einen Anklang an eine landläufige Bezeichnung geliefert. Die Beleidigungen sind auch nicht verjährt, denn es handelt sich um ein einheitliches fortgesetztes Delikt; die beleidigenden Äußerungen beruhen auf einem einheitlichen Vorsatz und sind als eine Tat anzusehen, die erst in dem letzten Angriffsartikel ihren Abschluß erlangte. Der Strafantrag ist hiernach rechtzeitig gestellt. Der Angeklagte kann auch nicht den Schutz des § 193 in Anspruch nehmen, denn auch als politischer Schriftsteller hat er nicht das Recht, politische Interessen unter Verletzung der Ehre anderer zur Geltung zu bringen. Was die Strafzumessung betrifft, so konnte von einer Geldstrafe bei der außerordentlichen Schwere der Beleidigung nicht die Rede sein; sie war nur durch eine Gefängnisstrafe zu sühnen. Daß der Angeklagte als politischer Schriftsteller seine politischen Gegner so scharf wie möglich bekämpft, ist sein Recht, aber dreimal hätte er es sich überlegen sollen, ehe er die vita sexualis bestimmter Personen in die Öffentlichkeit zerrte. Der Verdacht kann nicht zurückgewiesen werden, daß auch eine Sensationslust mit im Spiele war. Gerade die von ihm gewählte Form seiner Artikel deutete darauf hin. Die schärfste Rüge verdient es aber, wenn mit einer Leichtfertigkeit, wie in diesem Falle, vorgegangen wird. So wie im vorliegenden Falle darf kein ernster politischer Schriftsteller handeln. Er muß sich bewußt