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Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft weiter seinen Gang hätte gehen müssen. Es sei unzulässig gewesen, daß das Privatklageverfahren unter Aufhebung des ersten Urteils eingestellt und auf Grund einer neuen Anklage das jetzige Verfahren erfolgt sei. Nun stellt sich aber das gegenwärtige Verfahren, wenn es auch durch den auf Intervention der Staatsanwaltschaft im Privatklageverfahren ergangenen Einstellungsbeschluß veranlaßt worden ist, als ein neues Verfahren dar, welches auf einem selbständigen Eröffnungsbeschluß beruht und durch keine andere prozessuale Voraussetzung als diejenige des Strafantrages des Beleidigten bedingt war. In diesem Verfahren ist für die Entscheidung der innerhalb dieses Bereichs liegenden Frage, ob der Einstellungsbeschluß mit Recht oder Unrecht ergangen ist, kein Raum. Selbst wenn er zu Unrecht erfolgt wäre, fehlt doch dem zur Entscheidung des gegenwärtigen Verfahrens berufenen Gericht jede prozessuale Möglichkeit, in das Gebiet des Privatklageverfahrens zurückzugreifen und den Beschluß in Wegfall zu bringen. Deshalb hat das Gericht den gegenwärtigen Eröffnungsbeschluß ohne Rücksicht auf die Vorgänge im Privatklageverfahren zu erledigen. – In materieller Hinsicht weist der Angeklagte den Vorwurf der Anklage zurück, daß er in den inkriminierten Artikeln den Grafen Moltke als homosexuell hingestellt habe. Er will lediglich darauf hingewiesen haben, daß zwischen dem Fürsten Eulenburg und seinen Freunden, zu denen auch Graf Moltke gehörte, eine normwidrige, wenn auch ideelle Männerfreundschaft bestehe, und daß diese dem Kaiser nahestehenden Personen wegen ihres süßlichen, weibischen Wesens einen unheilvollen Einfluß ausgeübt haben. Als politischer Schriftsteller habe er sich verpflichtet gehalten, diesen Einfluß zu brechen. Infolgedessen habe er, wie er selbst in einem Artikel zugibt, die Angehörigen des Freundeskreises gehöhnt und verspottet und auf das Normwidrige einzelner zum Liebenberger Kreise gehörigen Personen hingewiesen. Die Verhandlung