Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 3 (1911).djvu/330

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

angeführt, daß Paragraph 193 auch dort in Anwendung kommen muß, wo die öffentliche Besprechung als der einzig geeignete Weg erschien, Mißstände zu kennzeichnen. Der Presse muß es anheimgegeben werden, in dieser Richtung tung vorzugehen, denn die Presse muß als Stimme der Allgemeinheit dafür sorgen, daß das Staatswohl in jeder Beziehung gewahrt bleibt. Als eine Gefährdung des Staatswohls mußte es dem Angeklagten aber erscheinen, wenn ihm mitgeteilt wurde, Graf Moltke habe erklärt: „Wir haben um den Kaiser einen Ring gebildet, den niemand mehr durchbrechen kann“ und er habe zu seiner Gattin gesagt: „Wenn ich erst geschieden bin, werde ich als Flügeladjutant aus der Nähe Sr. Majestät immer Bericht erstatten können.“ Der Angeklagte erblickte in der Kamarilla eine Schädigung des Staatsganzen. Sie hat gegen eine Versöhnung des Kaisers mit Bismarck gearbeitet. Drei Kanzler sind durch ihre Wirksamkeit entfernt worden, auch der alte Hohenlohe hat nur mit wutentbranntem Herzen von Eulenburg gesprochen. Wenn also in den Artikeln des Angeklagten wirklich etwas Strafbares enthalten sein sollte, dann dürfte schon auf eine Gefängnisstrafe nicht erkannt werden mit Rücksicht auf den guten Glauben und die lauteren Motive des Angeklagten. Aber ich bestreite nach wie vor, daß die Artikel etwas Strafbares enthalten, denn man kann doch in solche Worte nicht etwas hineinlegen, was der Schreiber gar nicht hineinlegen wollte. Auch der Kläger hatte eine Beleidigung ursprünglich nicht herausgelesen. Die Aufgabe des Klosterprobstes war es ja, Harden zu fragen, was eigentlich mit den Artikeln gemeint sei. Die Beleidigungen sind erst nach der allerhöchsten Entschließung herausgelesen worden. Der Reichskanzler hat es als eine höchst lobenswerte Tat bezeichnet, daß der Kronprinz die Zukunftshefte dem Kaiser vorgelegt hat. Um wieviel mehr ist demnach der Angeklagte zu loben, der im Interesse des Vaterlandes handelte. Er verdient nicht Strafe, sondern den Dank des Volkes. –