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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

Dienstmädchen umarmte. Ich habe ihm verziehen, weil ich immer hoffte, Mutter zu werden und ihn dadurch an mich zu fesseln. Aber es ist leider nicht so gekommen. Nach drei Jahren bekam ich ein Kind. Es war ein Knabe. Aber mein Mann kam nicht zu mir zurück, sondern führte sein liederliches Leben weiter. Mein Mann war sehr unzufrieden, da er sich eine Tochter gewünscht hatte. Ich hegte die Hoffnung, daß er mit der Zeit doch seinen Sohn liebgewinnen werde. Ich täuschte mich aber. Im nächsten Jahre brachte mich mein Mann nach Mailand, weil er dort Gesangsstudien machen wollte. Von dort gingen wir nach Venedig und von da nach Begli an der Riviera, wo ich an Typhus erkrankte. Als ich 40 Grad Fieber hatte, wurde ich in das Krankenhaus nach Genua transportiert. Mein Mann verließ mich dort und kam nicht wieder. Ich war krank bis zum Monat Oktober. Dann begab ich mich nach Florenz und Rom, wo ich wieder die Geliebte meines Mannes sah. Am 15. April 1898 bekam mein Mann ein Telegramm von seiner Schwester, welches ihm mitteilte, daß Peter Tarnowski, mein Schwager, sich erhängt habe. Man sagte damals, daß ich die Schuld an dem Selbstmord trüge. Es werden aber Zeugen aussagen, daß ich zu jener Zeit gar nicht in Italien war und seit dem Monat Oktober meinen Schwager nicht gesehen hatte. Als wir nach Kiew kamen, wurde uns die traurige Geschichte des jungen Grafen erzählt. Er hatte einen Selbstmord begangen, weil er Prüfungsdokumente gefälscht hatte. Ein Jahr später – 1899 – brachte mich mein Mann nach Moskau. Die Mutter meines Mannes stellte mir das Ehepaar Prilukow vor. Ich erinnere mich, daß sich Prilukow von Anfang an auffällig gegen mich benahm. Er vertraute mir an, daß er in seiner Ehe unglücklich lebe. Er trank viel, und eines Abends sah ich ihn vollständig betrunken ein Gasthaus verlassen. Dann sah ich ihn nicht mehr, bis zum Jahre 1904. Damals erfuhr ich, daß Prilukow der Liebhaber der Frau des Advokaten Karzew war. Eine

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/33&oldid=- (Version vom 28.12.2022)