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sind darin einig, daß das jetzige Verfahren unzulässig ist. Paragraph 193 muß dem Angeklagten zugebilligt werden, denn Vaterlandsliebe und deren Betätigung sind doch gewiß berechtigte Interessen. Der Oberstaatsanwalt, der trefflich alle Gründe angeführt hat, die für eine Geldstrafe sprechen, ist mit seinem Antrage plötzlich vom Wege abgewichen. Von einer Freiheitsstrafe kann nach meiner Meinung gar nicht gesprochen werden, von einer Geldstrafe nur, wenn Paragraph 193 dem Angeklagten nicht zugute käme, was doch in ausgiebigstem Maße der Fall ist. Ich bitte zum Schluß den Gerichtshof, die Schuldfrage zu prüfen lediglich vom gesetzlichen und juristischen Standpunkt aus und sich um die politische Aktion und die etwaigen schlimmen Folgen nicht zu kümmern. Der Angeklagte hat, wie der Oberstaatsanwalt selbst anerkennt, aus einem Beweggrund gehandelt, der ihn allein schon vor einer Freiheitsstrafe schützen müßte: nämlich dem Vaterlande zu nützen. Wir sollten uns nicht möglichst wenige, sondern recht viele Menschen wünschen, für die die Vaterlandsliebe das Motiv zum Handeln ist. So zahlreich sind die Männer nicht, die einmal ein mutiges Wort wagen. Dies zu wagen ist ein Recht, auf das der individuell geachtete Deutsche besonders stolz ist, und dieses Recht möge auch ferner erhalten bleiben: Auch im neuen Jahre das alte Recht! – Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Ein Wort der Wahrheit zu wagen, wirds hoffentlich auch in Deutschland immer Männer geben. Hier handelt es sich aber nicht um ein Wort der Wahrheit, sondern um ein Wort der Unwahrheit. Es ist ja gerade als unwahr erwiesen, was der Angeklagte dem Grafen Moltke nachgesagt hat. Deshalb war Herr Harden durchaus nicht berechtigt, solche Worte auszusprechen. Es ist doch nicht etwa das Verdienst des Herrn Harden, daß die „Adlervilla“ geschlossen worden ist, die vom Zeugen Bollhardt vorgebrachten Dinge lagen doch schon viele Jahre zurück. Die Behauptung des Herrn Justizrats