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nicht über den wirklichen Sinn der Artikel hinwegtäuschen können. Der gute Glaube soll Herrn Harden nicht abgesprochen werden, denn es wäre doch teuflisch, wenn man annehmen wollte, daß jemand im politischen Kampfe zum Mittel der bewußten Lüge greifen würde. Harden ist ein Opfer seiner durch Parteinahme getrübten Intelligenz geworden, und ihn trifft der Vorwurf, den Satz des alten römischen Rechts: „audiatur et altera pars!“ nicht befolgt zu haben, der Vorwurf, daß er die leidenschaftlichen Ergüsse einer durch ihren Ehescheidungsprozeß verärgerten Frau ohne weiteres für bare Münze genommen hat und seinen Angriffen, die ohne Gleichen an Tötlichkeit sind, zur Grundlage gemacht hat. Und doch hätte er durch Einsicht des der anderen Seite zu Gebote stehenden Materials seine Ansicht korrigieren können. Was Fürst Bismarck im Ingrimme über seine politischen Gegner gesprochen hat, kann er nicht für sich verwerten, da nicht einmal feststeht, in welchem Sinne es gesprochen ist. Wir haben aber gehört, daß ein Ohrenzeuge geschlechtliche Beziehungen in diesen Worten nicht erkannt hat. Es wäre leicht, die Schale unseres Zornes auf das Haupt der Frau v. Elbe auszugießen. Aber wir tun es nicht. Ich habe Mitleid mit dem Leide der Frau v. Elbe, in welches sie sich selbst gebracht hat. Nie habe ich daran gedacht, daß sie ihren Zeugeneid verletzt hat, aber ihre Krankheit hat ihr das schönste Recht des sittlichen Menschen, das Recht, wahr zu sein, genommen. Der fanatischste Gegner, der gehört hat von den Sachverständigen, wie bemitleidenswert entartet die Psyche der Frau v. Elbe ist, wird genau meiner Ansicht sein. Wir haben, der Herr Nebenkläger und ich, keine Veranlassung gehabt, irgendwelche Sachverständige zu laden, obwohl uns Dutzende von Autoritäten zur Verfügung stehen, die wir gegen die damalige Ansicht des Herrn Dr. Magnus Hirschfeld ins Feld führen konnten. Wir haben es nicht getan, aus guten Gründen. Wir stehen auf dem Standpunkt: „Ich sehe aus der Ferne schadenfroh zu,