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perverser Triebe, des Umgangs von Männern untereinander ist für Deutsche etwas Herabwürdigendes, etwas Gemeines, eine Hundemoral. Ich glaube nachgewiesen zu haben, daß Harden dem Grafen Moltke den Vorwurf der Homosexualität gemacht hat. Von diesem Vorwurf ist nicht ein Atom wahr. Wir haben gesehen, wie dieser Vorwurf haltlos zusammenbrach. Nicht eine Spur von Homosexualität, nicht ein Atom femininer Eigenschaften ist dem Grafen Moltke nachgewiesen. Alle Sachverständigen sind darüber einig, und wir haben unter ihnen die hervorragendsten Vertreter der Sexualwissenschaft. Auch einer, der zuerst anderer Meinung war, hat sich jetzt bekehrt, Herr Dr. Hirschfeld. Errare humanum est. Ich mache Herrn Dr. Hirschfeld für seine Bekehrung mein Kompliment. Ich habe mich sehr ausführlich mit der Frage der Homosexualität beschäftigt. Und nun stehe ich hier und kann meine mühsam erworbenen Kenntnisse auf diesem Gebiete nicht verwerten, denn von dieser Leidenschaft ist hier gar keine Rede mehr. Ich kenne Herrn Harden seit langer Zeit, habe seinen Werdegang und den der „Zukunft“ genau verfolgt. Ich kenne seinen Streit mit Lindau, Delbrück, Mehring, Leuß und anderen, und ich muß sagen: er ist in seiner Art ein Genie. Er ist der arbeitsreichste Publizist der Neuzeit; er hat Scharfsinn, einen eigenartigen, unnachahmlichen Stil, eine faszinierende Persönlichkeit. Aber diesen glänzenden Eigenschaften stehen sehr häßliche Mängel gegenüber. Er ist von einer brutalen Rücksichtslosigkeit, er geht bei Verfolgung eines Zieles über Leichen. Herr Harden hat, als er seine Aktion ins Werk setzte, den obersten Rechtsgrundsatz verletzt: „Eines Mannes Rede ist keine Rede, man muß sie billig hören beede“. Er hat nicht einmal auf eines Mannes, sondern auf eines kranken hysterischen Weibes Rede hin gehandelt. Das war leichtfertig, vielleicht mehr als das. Herr Justizrat Bernstein hat im ersten Prozeß gesagt: „Wenn ich die Tür aufmache und rufe Päderast, da steckt Graf Moltke den Kopf zur Tür herein.“ Diese Äußerung hat