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ich bejahen. – Oberstaatsanwalt: Ich kann wohl feststellen, daß jetzt nach Ihrer Meinung beim Grafen Moltke weder Anhaltspunkte für Homosexualität noch für erotisch betonte Freundschaft vorhanden sind. – Dr. Hirschfeld: Ich halte den Ausdruck „erotisch betonte Freundschaft“ nur für ein Synonym für „geistige Homosexualität“. – Als letzter Sachverständiger wurde Geh. Sanitätsrat Dr. Zwingenberg vernommen, der 37 Jahre in der Familie des Grafen Moltke ärztlich tätig war und vier Generationen kennen gelernt hat. Auch er erklärte, daß Graf Moltke weder homosexuell war, noch ist. – Es entspann sich hierauf ein längerer Disput über die Aussage des Dr. Liman. – Justizrat Bernstein las aus seinem Notizbuch die Äußerung Dr. Limans vor, die dieser vor dem Schöffengericht machen wollte, aber nicht machen konnte, da er nicht vernommen wurde. In dieser Äußerung, die Dr. Liman dem Verteidiger diktiert habe, heißt es, Fürst Bismarck habe von den Hintermännern im doppelten Sinne, auch im physischen Sinne gesprochen und mit Bezug auf die Liebenberger Hintermänner das Wort „Kinäden“ gebraucht. Er beantragte die nochmalige Vernehmung des Zeugen Dr. Liman. Auf telephonischen Anruf erschien hierauf Dr. Liman nochmals als Zeuge. Er wiederholte, Fürst Bismarck habe, als davon gesprochen wurde, daß im Tauschprozeß auf Hintermänner im Sachsenwalde hingewiesen wurde, dies übertrumpfen wollen und den Ausdruck „Kamarilla der Kinäden“ in Anwendung gebracht. Ein geschlechtlicher Beigeschmack sollte damit nach seiner Ansicht nicht verbunden sein. – Justizrat Bernstein hielt dem Zeugen wiederholt vor, daß dieser ihm doch genau die Stelle diktiert habe, in welcher es hieß: Fürst Bismarck habe von den „Hintermännern auch im physischen Sinne – siehe Eulenburg –“ gesprochen. – Dr. Liman erklärte hierzu, daß er dem Justizrat nur mitgeteilt habe, was er vor dem Schöffengericht habe aussagen wollen. Was er diktiert habe, habe nur ein Leitfaden sein sollen, er habe über die Worte des Fürsten weiter keinen Kommentar