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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3

Männern gleichzeitig ein fürchterliches Spiel getrieben. Alsdann wurde die Reise der Gräfin Tarnowska und Komarowskis nach Wien erörtert, die Pritukow nicht in demselben, sondern in einem anderen Abteil des Zuges mitmachte. Komarowski hatte von der Mitreise Pritukows keine Ahnung. In Wien nahm dann Prilukow den falschen Namen Seiffer an. Er bestritt, gewußt zu haben, daß jenes bekannte apokryphe Telegramm die Aufforderung zur Ermordung des Komarowski enthalten habe. Ihm sei der Sinn der Depesche nicht klar gewesen. Die Tarnowska habe ihn zur Ausführung des Mordplanes nicht für geeignet gehalten, sondern auf Naumows Gefügigkeit mit größerer Sicherheit gerechnet. Bei diesen Aussagen begann Prilukow wieder laut zu weinen. Prilukow erholte sich sehr bald und machte seine weiteren Angaben mit größter Klarheit. Er bemerkte: In dem Augenblick, als das Delikt ausgeführt wurde, sei er herbeigeeilt, nicht um Mithelfer zu sein, sondern in dem Glauben, daß er ein Unglück verhindern könne. Im übrigen sei er sich des Zusammenhanges der Dinge nicht ganz bewußt gewesen, weil die Tarnowska ihn unausgesetzt durch lügenhafte Berichte irreführte. Außerdem sei er, der Quälereien müde, die ganze Zeit mit dem Plane umgegangen, sich selbst das Leben zu nehmen. Zum Schlusse beteuerte er, daß er von der Spekulation der Tarnowska auf die Lebensversicherungsprämie nach Komarowskis Tode nichts gewußt habe. – Es wurde darauf die Gräfin Tarnowska vernommen. Sie habe, so bemerkte sie, in Wien bei der Polizei die volle Wahrheit gesagt; aber im Kerker habe sie, nachdem sie einen Brief von Prilukow erhalten hatte, falsch ausgesagt. Jetzt, so fuhr sie fort, vor Ihnen, meine Herren (die Geschworenen apostrophierend), will ich die volle Wahrheit sagen. Meine Erzählung wird lang und peinlich sein. Es wird die Geschichte meiner Leiden sein, die ich erzähle, und die Geschichte der schrecklichen Anklage, unter der ich stehe, werde ich nicht verheimlichen. Ich habe die

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 3. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_3_(1911).djvu/31&oldid=- (Version vom 25.12.2022)